Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

670 Urtiere. Erſte Klaſſe: Jn ſuſorien; erſte Unterklaſſe: Wimperinfuſorien.

Jn dieſelbe Gruppe reiht ſih die Sippe Spiralmund (Spirostomum) ein. Der Name iſ von der ih ſpiralig über den Körper ziehenden Wimperreihe gegeben, deren hinteres Ende ſi< in den Mundtrichter vertieft. Neben den Wimpern verläuſt eine Art von Klaviatur, muskelartige Streifen, von denen je einer zu einer Wimper gehört und deren Bewegung und Stellung regelt. Die unten abgebildete Art, Spirostomum ambiguum, hat mehrere auszeihnende Eigenſchaften. Sie erreicht eine Länge von einer bis anderthalb Linien, ſo daß ſie unter ihren Klaſſengenoſſen ein wahrer Rieſe ift und leicht mit einem Strudelwurme zu verwechſeln iſt. Die kontraktile Blaſe verlängert ſih gefäßartig und erſtre>t ſi<h vom Hinterende bis faſt zum Vorderende. Die den Muskeln zu vergleichenden Streifen der Hautſchicht verlaufen ſpiralig in großer Regelmäßigkeit, und wenn ſie ſi<h, was häufig geſchieht, alleſamt zuſammenziehen, ſo verkürzt ſih der Körper in einer Spiral= drehung. Dieſe Eigentümlichkeit findet ſi<h zwar niht allein bei Spirostomum, iſt aber hier am ſ{<önſten zu ſehen. Das Tier iſt ziemlih gemein, kommt aber nie in folhen dem Auge auſffallenden und für die Beobachtung anziehenden Geſellſchaften vor, wie die Trompetentierhen. Auch das im Dickdarm des Menſchen ohne ſchädliche Wirkung ſ{hmaroßende BPalantidium coli gehört in dieſe Ordnung der Jnfuſorien.

Jn der vierten Ordnung, Holotricha, find alle die Sippen mit gleihförmigem Wimperkleide vereinigt, Wir verzihten aber auf weitere Beſchreibung einzelner Sippen und Arten, die uns eine Menge äußerer Verſchiedenheiten darbieten würden, in den Grundzügen ihres Baues aber mit den übrigen Repräſentanten übereinſtimmen. Auf dieſer Grundlage verſuchen wir daher das angefangene Bild des FJnfuſorienlebens no< weiter auszuführen.

Wir müſſen in der folgenden allgemeinen Betrachtung ausführlicher no< einmal auf verſchiedene, weiter oben (S. 664) bloß vorläufig angedeutete anatomiſche und phyſiologiſche Eigentümlichkeiten der Fnfuſorien zurückommen.

E ts: Gleich den Rädertieren kann man auh die Jnfuſorien leicht guum. a) Natürl. Größe. Unter dem Mikroſkop beim Freſſen beobahten; man hat ſie nur fo

unter dem Deckgläschen feſtzuhalten, daß ſie niht aus dem Geſichtsfelde ſi< fortbegeben, aber doh noh ſo viel Spielraum haben, um ihre Wimpern ſpielen zu laſſen und damit die fein zerteilten Nahrungspartikelchen, einzellige Algen, namentlih aber Karmin oder Jndigo, dem Munde zuzuſtrudeln. Die von den Wimpern der Mundſpalte erregte Strömung ſtreicht, wie man an lebhaften Bewegungen der hinein: geriſſenen Körperchen ſieht, in einem geraden oder, nah der Form des Mundtrichters, wirbelnden Strome gegen den Mund zu, und an und in ihm häuft ſi< nun ein anſebn[ier Speiſeballen an, der dann durch einen S<hlund weiter in den Leib hinabgedrüdt wird. Es folgt Anſammlung eines neuen Ballens und abermaliges Verſchlingen. Manche Infuſorien, 3. B. die Gattungen Lippenzähnchen, Börſentierhen (Chilodon, Bursaria), verſhlingen au< Algen und Konſerven, welche länger als ihr eigner Körper ſind und mit denen ſie umherſhwimmen, als hätten ſie einen Balken halb im Leibe. So ſicher es nun bei allen feſte Nahrung aufnehmenden Fnfuſorien iſt, daß ſie Mund und Schlund beſißen, ſo ſicher iſ feſtgeſtellt, daß ſie dahinter nihts weiter von einem