Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

50 Krebſe. Erſte Drdnung: Zehnfüßer; Familie: Garneelen.

Wenn man den Verbrauch von Hummern für Nordeuropa auf 5—6 Millionen jährlih veranſchlagt, ſo ſteht damit die außerordentliche Fruchtbarkeit dieſes Tieres im Einklange. Das Weibchen legt über 12,000 Eier und trägt dieſelben, an dem Hinterleibe und ſeinen Anhängen angeheftet, bis unmittelbar vor dem Auskriehen der Jungen mit ſi< umher. Es iſt klar, daß nur cin kleiner Bruchteil der Gefahr, von den zahlreihen ihnen auflauernden Feinden, vor allen den Raubfiſchen, gefreſſen zu werden, entgeht, troßdem ſie von der Mutter beſhüßt werden. Sie flüchten nämlich unter ihren Leib. und nah der Ausſage glaubwürdiger Fiſcher führt das alte Hummerweibchen wenigſtens einen Teil der Schax ſeiner Jungen. Pöppig erzählt, na<h Pennant, daß man zu jeder Jahreszeit, beſonders häufig im Winter, Weibchen mit Eiern beladen einfange, die jedoch in den falten Monaten nicht zur Entwi>kelung gelangen, und dur< welche ungeregelte Fortpflanzung der Hummer unter den Kruſtern und überhaupt unter allen Gliedertieren eine merkwürdige Ausnahme machen würde. Auch fügt der engliſhe Beobachter hinzu, daß die Häutung niht in demſelben Fahre und auf das Eierlegen folge, was ſonſt bei allen Krebſen Negel iſt; auh ſchließt man aus dem Umſtande, daß auf dem Bruſtſtüc ſehr großer Hummern mitunter Muſcheln und Rankenfüßer feſtſißen, daß im reifen Alter der Panzer entweder gar niht oder doh nur in großen Zwiſchenräumen abgeſtreift werde.

Nach den neueren ſorgfältigen Beobachtungen über Vorkommen und Fortpflanzung des nordameritaniſ<hen Hummers (Homarus americanus) findet die Vermehrung je nah der Lage der Küſten zwiſchen April und September ſtatt, und es ſcheinen zu dieſem Zwecke die Weibchen ſih auf ſeihteren Grund zu begeben. Die Fungen ſ<hwimmen nicht nux unmittelbar na<h dem Auskriechen frei umher, auf der Stufe, wo ihre Beine geſpalten ſind und große Ähnlichkeit mit denjenigen der ſpaltfüßigen Krebſe oder Schizopoden haben, ſondern auh no< dann, wenn ſie ſhon das Ausſehen der Alten und eine Länge von 2 cm erreicht haben. Da ſie alſo wehrlos in Shwärmen umherziehen, werden ihre Reihen von den ihnen folgenden Fiſchen außerordentlih gelichtet.

Der Verbrauch des Hummers in Nordamerika überſteigt weit den europäiſchen Konſum: in Boſton allein werden jährlih etwa eine Million verkauft. Der Fang an den amerifaniſhen Küſten geſchieht faſt ausſ<ließli<h in den Körben (Colster- pots), wie in England, in welche ſie dur verſchiedene Köder gelo>t werden. Übrigens gehen ſie niht ſo leiht an den Köder, ſie ſind mißtrauiſh und auh ſonſt von niht geringer Jntelligenz. Shmidtlein beobachtete im Neapolitaner Aquarium, daß ſie geſättigt Fiſhe als Vorrat verſcharxten, und Eiſig ſah, wie ſie ſih von den zum Futter hineingeworfenen Fiſchen erſt eine Anzahl zuſammenrafften, unter ihren Leib in ſicheren Gewahrſam brachten und dann erſt anfingen zu freſſen. Die Gefangenen wehren ſih verzweifelt und haben namentlih die Gewohnheit, ſih mit einer Schere an dem Korbe feſtzuhalten. Wollte man ſie gewaltſam abreißen, dann würden ſie lieber die Schere verloren geben, wodur< ſie natürli für den Verkauf minderwertig würden. Die Fiſcher verfahren daher anders. Sie preſſen mit der einen Hand die freie Schere des Gefangenen zuſammen und zwi>en ihn mit der anderen in einen ſeiner Fühler. Hier iſt ex ſehx empfindli<h und läßt ſofort die angeflemmte Schere los, um ſih damit zur Wehr zu ſeßen.

Unter den Krebſen dieſer Familie von größerem ökonomiſchen Werte muß au< der durch ſeinen ſ{hlanken Körper und zwar ſtarke, aber zierlihe Scheren ausgezeihnete Nephrops norvegicus genannt werden. Die wahre Heimat dieſes ſ{önen Tieres iſt ebenfalls die norwegiſche Küſte, wo ih Exemplare von über 30 cm Körperlänge geſehen habe. JG erinnere mi< aber niht, ihn in Bergen oder einer anderen norwegiſchen Küſtenſtadt auf dem Fiſchmarkt als Ware gefunden zu haben, und ſo ſcheint er dort ziemli<h ſelten vorzukommen. Dagegen wird er in der großen, vom Adriatiſhen Meere gegen Fiume ſi