Charakterologie

Ausdrud und Kennzeichen 275

Haben wir uns durch viel Übung in fomplizierteren Zeichenbedeutungen zu bewegen gelernt (jo 3. B. in der Mufif beim Klavierjpielen nad; Noten), jo jhmilzt die Zweiheit der Akte immer mehr zu einer einzigen Art der Aufnahme zufammen, und zwar meijt jo, daß nur noch die Signalbedeutung aufgenommen, nicht mehr das Ding als gegenjtändlicyes Ding wahrgenommen wird.!)

Aber auch bei dem eingejdhliffeniten Lejen von Signalbedeutungen fann diejer Akt des Signalverjtehens niemals zum Ausdrud-Derjteben werden. Denn Ausdrud ijt nun etwas radital anderes.

Der Unterjchied tritt zwar in der Regel am deutlichiten zutage, wenn das Ausdrudsveritehen in jchlagartiger Schnelligfeit vor jich geht, während das Signalverjtehen Zeit braucht durdy ausdrüdliches „Überjeßen“. Aber wie jchnellites Notenlejen immer noch Signalverjtehen ijt, jo bleibt Aus= drudsveritehen auch dann Ausdrudsverjtehen, wenn es zuweilen recht langjam vor jich geht.

Gemeinjam ijt dem Signal- und dem Ausdrudsträger, daß beide mehr jagen, als fie an jic) jelbjt jind. Die Note jagt: „Spiele ein C!"; eine beitimmte Musfelbewegung (zorniges Zufammenjcliegen der Stirnmusfeln über der Najenwurzel) jagt: „Wenn du noch einen Ton redeit, gebe ich dir eine Obrfeige!“ Beide Träger, des Signals und des echten Ausöruds, jagen damit etwas, was jie als Ding nicht im mindejten jagen fönnten. Aber im eriten Sall ijt die Bedeutung eine willfürlich fejtgejeßte, die darum auch erlernt und geübt fein muß, im zweiten Sall ijt die Bedeutung von Natur mit dem betreffenden Ding verbunden. Ihr Derjtehen Tann darum aud) nicht gelernt, höchitens wieder gelernt, freigemacht werden. Eine Note bedeutet in jedem Notenjchlüjjel einen anderen Ton; ein 30r= niges Gejiht drüdt immer Zorn aus, das ijt einmal jo von Natur aus.

So fann man den Saß aufitellen: In dem Maße, wie die Bedeutung eines Dinges au mit anderen Dingen (und Dingformen) verbinöbar it als mit dem jeweils vorliegenden, liegt „Signaldharafter” vor — in dem Make, wie Bedeutung und Dingform untrennbar jind, liegt echter Ausdrudscharafter vor.)

1) Der fertige Klavierjpieler nimmt 3. B. die Noten einfach als ihn führende Befehle auf. Er überjett überhaupt nicht mehr, jondern liejt die Noten unmittel= bar als Aufforderungen zu bejtimmten Griffen und Bewegungen, bis er jchließlic) nicht einmal mehr „liejt“, fondern das Hinjchauen automatijch jeine Bewegungen auslöft, fo daß er während des Spielens ruhig an etwas anderes denfen Tann.

2) Übrigens haben viele Signale zugleich Signal- und Ausdrudscharafter.

Ganz willfürlich ijt es fiher nicht, daß die rote Laterne „Halt!" bedeutet. Die 5 elwig, Charafterologie 18