Das Autoritäts = Prinzip und die Revolution von 1789

6 Die Reaktion in Frankreich.

Individualitäts- und Solidaritätsprincipien auf der andern Seite getroffen. Die zwei Hauptkämpfer, die Philoſophie und die Kirche, rüſten ſih zum Kampf. Alle Führer, alle Ritter und Knappen, welche das große Turnier ausfechten ſollen, \tehen auf ihren Poſten, unbekannt unter einander, unbekannt der Welt, die ſie bald mit dem Schall ihrer Namen erfüllen ſollen. Sie ſind von ganz verſchiedenartiger Herkunft und haben eine ganz verſchiedenartige Vergangenheit. Da ſind Adlige wie Mirabeau, Geiſtliche wie Maury, Fauchet und Talleyrand, Aerzte wie Marat, Advokaten wie Robespierre, Dichter, Philoſophen, Redner, Schriftſteller wie Chénier, Condorcet, Danton und Desmoulins, eine ganze Heerſchar von Talenten und Charakteren. Die Kirche rüſtet ihre Waffen zu einem verzweifelten Kampfe, der im Voraus verloren iſ, die Revolution rü>t vor, erſt unſicher und ſ<hwankend, dann dräuend, dann unwiderſtehlich, und bald ſiegestrunken. Sobald die Reichsſtände berufen werden, iſ der Kampfplaß offen, die Schranken fallen auf beiden Seiten, und der große Kampfrichter, die Welt= geſchichte, giebt das Signal zum Zuſammenſtoß.

Was iſt gleich na<h dem Zuſammentritt der Stände das erſte und einſtimmige Verlangen des geiſtlichen Standes? Die Annerkennung der „katholiſchen, apoſtoliſchen und römiſchen Religion“ als Staatsreligion zu erwirken, als der einzigen, welcher ein öffentlicher Cultus geſtattet werden ſolle. Und doh waren Republikaner in gar nicht ſo geringer Anzahl unter der niederen Geiſtlichkeit ; aber zu der Freiheit, welche fie forderten, rechneten ſie nicht die religiöſe. Die demokratiſchen Aebte deklamirten wohl gegen die Jnquiſition, nannten ſie menſchenfreſſeriſh und tigerhaft, aber ſie warnten vor der Toleranz. Der revolutionäre Abt Fauchet, derſelbe, welcher nah der Einnahme der Baſtille die dreifarbige Uniform der Nationalgarde ſegnete, und die Trikolore als Nationalfahne huf, bezeichnet die Toleranz höhniſh als „den allgemeinen Tolerantismus“ und weisſagi, wenn ſie eingeführt würde, ſo würde ſie nur zum vollſtändigen Verfall aller guten Sitten führen. Er geht ſo weit, daß er Denjenigen, die ſich zu keiner Religionsgemein= ſchaft bekennen, das Recht, ſich zu verheirathen, verwehren will,