Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

wehrt, denn hier liege eine grundsätzlich andere Ordnung vor: IV 432,6: quia non cadit sub numero. Das excedere darf nicht in derselben Ordnung bleiben, sondern muß das prinzipiell Übergeordnete bezeichnen: excedit quidem numerum, utpote sine numero et super numerum. Die Meisten, so sagt er, interpretieren falsch, wenn sie meinen, die Vielheit bedeute ein Überschreiten der corporales numeri durch eine noch größere Zahl. Das würde ja kein Hinausschreiten über die Zahl sein, sondern ihr unterworfen bleiben*). Die multitudo ist demnach nicht indefinit. sondern infinit, das der Zählung grundsätzlich Jenseitige, das Nicht-Endliche, d. i. der Ursprung der Zählung. Sie verhält sich zur Zahl wie die Ewigkeit zur Zeit, denn die multitudo ist Attribut der Engel, die in Ewigkeit sind”). Ewigkeit aber ist Ursprung der Zeit, (cf. die Erörterung über das Zeitproblem). Die Erzeugung der Zahl aus der multitudo bezeichnet Edhart mit dem traditionellen, neuplatonischen Terminus des descendere und der degeneracio”). Eckhart hatte am Anfang dieses Paragraphen gesagt: Die Zahl ist ein Abfall vom Einen: omnis numerus cadit ab uno (III 428,20 f)”). Dann hatte er aus dem Sinnbereich „Gott“ die Begriffe numerus und multitudo ausgeschlossen. weil die Zahl der Privation entspringt, die Vielheit aber der Negation, beide kommen Gott nicht zu. Am Schluß madıt er, wie wir sahen, die multitudo zum grundsätzlich Jenseitigen für die Zahl. Da aber der Zahlbegriff in der totalen Disjunktion von unum — multum steht, kann Zahl nur dem multum zukommen, und die multitudo als Ursprung der Zählung, als das Nicht-Endliche gehört in den Sinnbereich des unum. Da wir nun gelegentlich der Formel: die Zahl ist eine Aggregation von Einheiten, die Einheit als das Konstitutionsprinzip der Zahl

54) III 452,2-454,2: ... non est numerus in spiritibus ... turba maena multitudo est, que tamen dinumerari non potest, quia non cadit sub numero et hoc est quod ... dieit Dionysius, quod:

„multitudo angelorum excedit numerum omnium corporalium“, excedit quidem numerum utpote sine numero et super numerum, non sicut plurimi male exponunt, excedere numerum corporalium sieut plures numero. Hoc enim proprie non esset excedere numerum, sed subici numero,

=) 7Pf. 10:56,5>.

6) III 454, 4—9.

#7) Aus dem Gesamtzusammenhang mit der Seinslehre ergibt sich, daß die Zahl keineswegs eine dekadente Eins ist, sondern daß dieser Ausdruck lediglich die logische Unterordnung bezeichnet, welche Bedeutung auch in dem descendere liegt. Die Rückbeziehung der Zahl zur Einheit als dem Ursprung bezeichnet der Ausdruck des recurrere.

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