Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation, page 80
Wenn nun der Gottesbegriff auf eine so mannigfache Weise inhaltlich bestimmt ist, dann erwächst daraus die Frage: Welchen Sinn haben die unterschiedenen Bestimmungen, und wie ist bei ihrer Mannigfaltigkeit eine Einheit des göttlichen Wesens möglich? Dazu müssen wir uns der fundamentalen Einsicht erinnern, daß für Eckhart die These von der Existenz Gottes umgewandelt wurde in die von der Existenz alles Seienden aus Gott, denn von dem Ursprung der Existenz kann man die Fxistenz selbst nicht sinnvoll aussagen. Darin bekundet sich der fundamentale Unterschied der .‚logisch“ begründeten Theologie von der ontologisch orientierten mit ihrem konstitutiven Begriff der Ursache. Damit aber ist die Aseität Gottes aufgehoben und eine notwendige Relation zum Bereich des Seienden, zu ..Welt“ gesetzt, und, so muß vorweggenommen werden, was erst im zweiten Teil unserer Untersuchung im Einzelnen dargelegt wird, zugleich ist über die Relation Gott — Kreatur hinaus die Korrelation Gott — Ich als die von Vater — Sohn mitgesetzt. Der Vollzug der Korrelation aber ist gebunden an die Relation zur Kreatur. Die Relation Gott — Kreatur steht nun unter dem Aspekt des Seins: Gott ist für die Kreatur Schöpfer, Seinsspender. Das ist zugleich die allgemeinste Bestimmung Gottes zur Konstituierung von Existenz überhaupt. Die übrigen Wesensbestimmungen Gottes stehen unter dem Aspekt der Korrelation Gott — Ic, die sich vollzieht durch die Relation d. i. durch Welt. In der Erkenntnis erfährt das Ich Gott als Wahrheit d. i. es erfährt die Welt aus Gott als aus der Wahrheit; damit hängt die These von der Vielheit der Ideen in Gott zusammen. In Hinsicht der Gemeinschaft gestaltet das Ich „Welt“ aus Gott als aus der Gerechtigkeit, aus der Güte, aus der Liebe, aus der Tugend, aus der Ehrenhaftiskeit.
All diese verschiedenen Wesensbestimmungen Gottes sind in den jeweils spezifischen Erfahrungsbereichen der Ursprung, das Wesen. Ihre mögliche systematische Einheit bestimmt Eckhart durch den traditionellen Begriff der substantialen Einheit im Wesen, in der Vernünftigkeit. In einer größeren Anzahl von Texten wird jene Mannigfaltigkeit von Bestimmungen aus dem Interesse der negativen Attributenlehre heraus nicht als ein Reichtum Gottes empfunden, sondern als eine Unzulänglichkeit unserer menschlichen Bestimmung Pf. 49: 165,20: die blözen lüterkeit gotliches wesens, daz blöz ist äne allez mitwesen. Wan güete, wisheit unde swaz man von gote sprechen mac, daz ist allez mitwesen gotes blözes wesens; wan alliu mitewesen machent eine frömede von dem wesen ... (cf. dazu die Erörterung über die negative Attributenlehre),. Man wird hier keinen Wider-
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