Der Künstler zwischen Westen und Osten

180 Jakob Böhme

Mit vierundzwanzig Jahren hat er, bei heller Mittagsstunde, einen wundersamen Einblick in das Zentrum der Natur. Frankenberg erzählt, wie er „vom göttlichen Licht ergriffen und mit seinem gestirnten Seelengeiste durch einen jählichen Anblick eines zinnernen Gefäßes (als des lieblich jovialen1 Scheins) zu dem innersten Grunde oder Geniro der geheimen Natur eingeführet; da er als in etwas zweifelhaft, um solche vermeinte Phantasie aus dem Gemüte zu schlagen, zu Görlitz vor dem Neißtore (allwo er an der Brücken seine Wohnung gehabt) ins Grüne gegangen, und doch nichtsdestoweniger solchen empfangenen Blick je länger je mehr und klarer empfunden, als daß er vermittels der angebildeten Signaturen oder Figuren, Lineamenten und Farben allen Geschöpfen gleichsam in das Herz und in die innerste Natur hineinsehen können (wie auch in seinem Büchlein: „De Signatura Rerum“ dieser ihm eingedruckte Grund genugsam erkläret und enthalten), wodurch er mit großen Freuden überschüttet, stillegeschwiegen, Goit gelobet, seiner Hausgeschäfte und Kinderzucht wahrgenommen und mit jedermann fried- und freundlich umgegangen und von solchem seinem empfangenen Lichte und innern Wandel mit Gott und der Natur, wenig oder nichts gegen jemanden gedacht.“

Hier sieht man, wie sich bei Böhme aus dem gewöhnlichen Seelenleben ein geistig-seelisches Organ entwickelt. Er nennt diese Fähigkeit selber Imagina-

1 Zinn ist das dem Jupiter zugehörige Metall. Deshalb der

Ausdruck „jovial“.