Der Künstler zwischen Westen und Osten

DAS MASKENPROBLEM

Wenn der Mensch sorgsam Selbsterkenntnis übt, so hat er bald das eigentümliche Erlebnis, daß er mit seinem Antlitz nicht mehr zufrieden ist. Er fühlt sich veranlaßt, seine Gesichtszüge moralisch zu beurteilen. Er glaubt in ihnen eine Vergangenheit zu sehen, zu der er — empfindungsgemäß — nicht ganz ja sagen kann. Aber er vermag sich dabei keineswegs zu erklären, warum ihm das Bild, das ihm der Spiegel entgegenwirft, so sehr mıßfällt. Was er auf dem Kerbholz hat, erscheint ihm meist nicht so schwerwiegend, daß er darüber verzweifeln müßte. Er glaubt sich jedenfalls imstande, seine Verfehlungen im Laufe des Lebens wieder gutmachen zu können. Etwas anderes als eine in seiner Erdenerinnerung vorhandene Erfahrung ist es, was ihn quält. Er schämt sich aus einem Grunde, der viel tiefer liegt.

Ist es Scham vor dem Menschengeschlechte überhaupt? Fährt er in dieser Innen-Musterung fort, so entdeckt er, daß sich in seiner Seele fortwährend ein neues Antlitz erzeugen will. Es steigt aus seinen Lebensimpulsen empor, aber es vermag nicht in seinem physischen Angesichte zum Ausdruck zu gelangen. Es kann nicht durch-