Der Künstler zwischen Westen und Osten

192 Das Maskenproblem

dringen, da dieses bereits zu fest und fertig, zu verhärtet ist. Die Wellen des Blutes, die es emportragen, prallen an den Knochen des Gesichtes ab. Höchstens schimmert es im Auge und spricht es in der Mimik.

Schaut der Mensch noch tiefer in sich, so findet er eine Sehnsucht, dieses Triebgesicht, wie wir es nennen wollen, zu vervollkommnen. Er möchte es im Augenblicke, wo es in der Imagination geboren wird, nach einem gewissen Bilde umgestalten. Dieses Bild, das ihm vorschwebt, mag in jedem Menschen anders beschaffen sein. Je nach den Begriffen des menschlichen Voroder Urbildes, das der Betreffende in sich trägt. Es ist der Prototyp des Menschenangesichtes überhaupt. Es spricht die Idee der Menschheit als solcher aus.

Dieses Lichtantlitz lebt als Bild-Gewissen der Menschheit in jedem Herzen.

Drei Gesichter trägt dergestalt der Mensch in sich. — Eines, das auf ein vergangenes Schicksal hinweist und in seinen Grundzügen mehr oder weniger festgelegt ist: das Haupt-Gesicht als Denk-Mal dessen, was er einst gewesen ist, die Schädelstätte seiner individuellen Geschichte. — Ein zweites, das sich in seinen Trieben und Begierden, in seiner Hingebung und seinem Willen mehr oder weniger chaotisch, flüchtig, wandelbar ausdrückt. Eine Imagination, die auf die Zukunft deutet. — Und ein drittes, das als immer gegenwärtig empfunden wird, das „Auge Gottes“, die „Stimme des Gewissens‘.

Durch dieses dritte Gesicht muß das zweite geläutert werden, damit es im ersten leuchten kann.