Der Künstler zwischen Westen und Osten

194 Das Maskenproblem

dem Gesichte, zerfällt und das Begierdenwesen nicht mehr von dem starren Gerüste zusammengehalten wird, sondern hemmungslos hervorspringt. Zu diesem Zwecke schnallten sie Masken um und vollführten Bewegungsspiele. In die Kultvorstellungen und Zeremonialgebräuche, in das Trachtenwesen sehen wir das Reich der Götter und Dämonen, der unverleiblichten Seelen, hineinspielen, sei es still oder stürmisch, sei es belebend oder vernichtend, sei es versöhnend oder rächend, je nach der Stufe, auf der jeweilen der Volksgeist steht.

Die Masken sind Teilstücke der (degenerierten) Sphinx. Diese aber ist das Unbewußte im Menschen, die Summe all der Kräfte, die im unteren Menschen waltet und von dorther in das Bewußtsein empordrängt. Bildlich ausgedrückt: Wurm, Löwe, Stier und Adler möchten Menschenantlitz werden.

Man betrachte eine jener Masken, die Rudolf Utzinger in der Sammlung Orbis pictus, No. 13, herausgegeben hat, z. B. die Zeremonialtanzmaske der " Bilchula, Nordwestamerika, einen Adlerkopf darstellend. Dieser kann umgestülpt werden, wodurch ein Antlitz erscheint, das umgeben ist von augenartigen Ornamenten. Wie die Wandlung eines Dämons in einen Lichtgott mußte das Öffnen dieser Maske auf die Menge wirken, wie eine Sonnenoffenbarung.

Warum haben Masken auf Kinder, das heißt auf Menschenwesen, in denen noch die ‚„Bildekräfte‘ walten, eine so bezaubernde Wirkung? Die Psychoanalyse erwidert: Weil Erinnerungen der menschlichen Gattung,