Der Künstler zwischen Westen und Osten

200 Moderne Lyrik

Wer dies einmal erlebt hat, der empfindet das Sprechen als ein Tun, über dem eine Weihe liegt.

Gegen solche Gedanken, die jedem echten Dichter innewohnen, ob er sich dessen, bewußt ist oder nicht (sie treiben ihn dazu, mit dem Worte ehrfurchtsvoll umzugehen), erhebt sich selbstverständlich jener Naturalismus, der sich als Folge der naturwissenschaftlichen Denkart breit und immer breiter machte: Wahr sei nur, was die Sinne wiedergeben. Das allein sei wirklichkeitsgemäß.

Solchem Argument vermochten die meisten Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts nicht mehr standzuhalten. Sie wollten nicht lügen. Sie beschieden sich infolgedessen, Welt und Menschen, wie sie waren, zu beschreiben.

Aus diesem Ehrlichkeitswillen heraus verfaßte z.B. Zola seine Romane. Er ging in die Gemüsehallen, in die Schlächtereien, in die Kasernen usw. und notierte, was seine Sinne wahrnahmen, was er schaute, hörte, roch... Er bildete das Physisch-Sinnliche ab, und es war nur konsequent, daß er einen seiner Romane „La 'bete humaine“ nannte... (Das romantische Element, das in seinen Büchern lebt, ist eigentlich gegen seinen Willen hineingekommen.)

Er war Diener der Natur, die ihm ihre Abbilder gab. Aber Souyeräm dem Geiste gegenüber, den er nicht beachtete. Dessen: Gesetzlichkeit (die sich z. B. in Reim und Rhythmus auswirkt) gab er auf, um sich seine eigenen Regeln zu geben. Er machte sich frei von jeder Tradition, und so ist er in seiner Art ein Freiheits-