Der Künstler zwischen Westen und Osten

202 Moderne Lyrik

keit dieser Denkart in Reinkultur hervor. Jedermann schreibt in freien Rhythmen. Arno Holz verfaßt seine „Revolution der Lyrik“. Er formt aus dem Stoff heraus, der in das Feld seiner Sinne fällt, seine spröden Gebilde: Wortarchitekturen, um eine imaginäre Senkrechte gebaut. Wort um Wort setzt er, jetzt links, jetzt rechts, auf die Wage. Er richtet sich, wenn er dichtet, nach einem heimlichen Koordinatensysiem.

„Ich schreibe,“ so sagt er in seiner ‚Revolution der Lyrik‘, „als Prosaiker einen ausgezeichneten Satz nieder, wenn ich schreibe: ‚Der Mond steigt hinter blühenden Apfelbaumzweigen auf.‘ Aber ich würde über ihn stolpern, wenn man ihn mir für den Anfang eines Gedichtes ausgäbe. Er wird zu einem solchen erst, wenn ich ihn forme. ‚Hinter blühenden Apfelbaumzweigen steigt der Mond auf.‘ Der erste Satz referiert nur, der zweite stellt dar. Erst jetzt fühle ich, ist der Klang eins mit dem Inhalt.“

Und sein Kunstverstand findet es wichtig, das Ge‘dicht auch für das Auge wohlgegliedert hinzustellen !.

Hinter blühenden Apfelbaumzweigen steigt der Mond auf.

Zarte Ranken, blasse Schatten zackt sein Schimmer auf den Kies.

Lautlos fliegt ein Falke.

Ich wandle wie trunken durch sanftes Licht, die Fernen flimmern.

1 „Geschichte der deutschen Literatur“ von Waldemar Ahlke.