Der Künstler zwischen Westen und Osten

2:06 Moderne Lyrik

wie der Vorfrühling. Im Winkel, zwischen Wald und Au, liegt eine Decke Eis, die nicht aufgetaut.

Im kompliziertesten Sonett Rilkes, mit Strophe und Gegenstrophe, Versantithese und Reimwechsel, weht immer noch ein alles verwischendes Dämmern. Der Sinn verliert sich in das Ungewisse, in das Dunkel, in den Traum.

Wer würde dieses Gedicht, das in den Soneiten an Orpheus steht, nicht eher eine Ode nennen?

Wo, in welchen immer selig bewässerten Gärten, an welchen Bäumen, aus welchen zärtlich entblätterten Blütenkelchen reifen die fremdartigen Früchte der Tröstung? Diese köstlichen, deren du eine vielleicht in der zertretenen Wiese

deiner Armut findest. Von einem zum anderen Male

wunderst du dich über die Größe der Frucht,

über ihr Heilsein, über die Sanftheit der Schale,

und daß sie der Leichtsinn des Vogels dir nicht vorwegnahm und nicht die Eifersucht

unten des Wurms. Gibt es denn Bäume, von Engeln beflogen, und von verborgenen langsamen Gärtnern so seltsam gezogen, daß sie uns tragen, ohne uns zu gehören.

Haben wir niemals vermocht, wir Schatten und Schemen,

durch unser voreilig reifes und wieder welkes Benehmen

jener gelassenen Sommer Gleichmut zu stören?

Wenn wir die beiden Dichter weiterhin vergleichen, so entdecken wir, daß George mehr Hauptwörter als Verben braucht. Warum? — Weil er Plastiker ist. Er setzt Blöcke wie ein Bildhauer. Seine Gebilde sind skelettartig. Er errichtet Schädelstätten. Er ist Kopfgestalter .