Der Künstler zwischen Westen und Osten

Moderne Lyrik 207

Rilke aber lebt im Atem. Ja, das Atmen selber dichtet in ihm. Atmen, du unsichtbares Gedicht! Immerfort um das eigne

Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht, in dem ich mich rhythmisch ereigne.

Einzige Welle, deren

allmähliches Meer ich bin;

ssparsamstes du von allen möglichen Meeren, Raumgewinn. ‘Wie viele von diesen Stellen der Räume waren schon innen in mir. Manche Winde sind wie mein Sohn.

Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte? Du, einmal glatte Rinde, Rundung und Blatt meiner Worte.

Wenn sich George isoliert, um zu formen, so verliert sich Rilke in der Bewegung. Er ist nicht völlig Erden-Ich geworden, sondern lebt mit seiner Seele im Gestaltenlosen: im Wind, in der Welle, im Weben des Mondlichtes. Und es scheint bedeutsam, daß Rilke lange Zeiten in Paris weilte und daselbst mit Rodin in täglicher Berührung war, dem Bildhauer, der ganz Bewegung ist.

Im Zusammenhang mit dieser Hingebung steht die Neigung Rilkes zum mütterlichen Prinzip im Katholizismus. Er dichtet Marienlieder.

George aber huldigt dem Vaterprinzip in der allgemeinen Kirche.