Die Französische Revolution

112 Drittes Kapitel.

Es war für den Augenbli> von Vorteil, daß dadurch ein Bürgerfrieg vermieden wurde "). Seine Nachgiebigkeit hatte noh eine mittelbare Folge. Jn der Erkenntnis, daß die Nationalverſammlung die regierende Gewalt ?) geworden und daß der Weizen der Hofpartei vorläufig nicht blühen würde, und in der Befürchtung blutiger Rache, indem namentlih auf ſeinen Kopf und den der Königin Preiſe geſeht worden waren®), verließen Artois und Konſorten ihr Vaterland, um das Ausland gegen die „Meuterei“ zu alarmieren und mit deſſen Hilfe etwa nach drei Monaten “*) — das würde alſo im Oktober ſein die alten Zuſtände wieder herzuſtellen. Warum beteiligte ſich aber die Königin nicht an der Flucht, ſie, die doh zum mindeſten ebenſo verhaßt war wie thr jüngerer Shwager? Die Liebe zu ihrem Gatten, die geringere Furcht vor dem Volke mag ſie an Verſailles gefeſſelt haben, namentlich aber die Einſicht, wie ſehr ſie dur<h ihre Flucht die Dynaſtie auf das Spiel ſegen konnte ®).

Es dauerte ein paar Tage, bis Necker ſein Amt antrat; denn erſt in Baſel hatte ihn die Rückberufungsorder erreicht, und eine Reiſe von dort nach Paris nahm wieder Zeit in Anſpruch. Endlich kam er hier am 27. Juli an, als Opfer ſeines Liberalismus hochbewillkommnet. Nicht ſo glatt wie die Indienſtſtellung Ne>ers verlief aber die St. Prieſts ®), gegen die ſich Ludwig zuerſt wehrte. — Die Arbeit war für ſie ſchwerer denn je geworden: früher erbli>ten ſie im Könige einzig und allein ihren Herrn, jetzt aber ſahen ſie ſih eher von anderen Mächten abhängig. Nur inſofern erfuhr ihre Arbeit Förderung, als am 4. Auguſt 1789 im Lande verbliebene Deputierte des Adels aus Liebe zum gemeinſamen Vaterlande auf all das verzichteten, was ihren Stand vom dritten - unterſchied: die mittelalterliche aus\chließliche Wertung der Geburtsvorzüge ſollte jezt der der Leiſtungen Plaß machen. Erſt jezt fing in Frankreich an, die Bedeutung des Jndividuums eingeſehen zu werden: ſo viele Jahre nach der Renaiſſance 7)! Mit aus jenem Grunde geſchah es,

1) Span. Arch. 3392 — 28. Juli.

2) Sepet a. a. O. Bd. III, S. 165.

3) Span. Ar. 3392 — 20. Juli. Das Faktum wird überdies mehrfa< verbürgt.

4) Daudet, L’histoire de l'émigration (Paris 1904), Bd. I, S. 5.

5) Intereſſant iſt dabei die Beobachtung, um wie viel ſie an Mut ihren Schwager überragt.

6) Span. Arch. 3392 — 25. Juli 1789.

7) Schon Poggio erklärt, daß nur perſönliches Verdienſt den Adel verleihe.