Die Französische Revolution

124 Viertes Kapitel.

if möglich ſein, jener Charybdis zu entgehen !). Ein Bürgerkrieg ſei gegenüber dem jehigen Zuſtand noch nicht das Schlimmſte, ſo hatte er ſhon eine Woche vorher geäußert (Taine, Band II, Buch 1, Kap. 4). Aber der große Mann ſette niht alles auf eine Karte: Da er ſich für den geeignetſten Steuermann durch das wilde Meer der Erregung hielt, ſo trachtete er danach, alsbald einen Miniſterpoſten zu erlangen. Er ſtellte nun am 6. November den Antrag, daß Miniſtern ein Siß in der Deputiertenkammer vorbehalten ſein müßte, um auch in jener amtlichen Eigenſchaft an dieſer Stelle zu Worte zu kommen. Denn er wollte dann mit ſeinem Reformprogramm den Vertretern des franzöſiſchen Volkes vorlegen, und auf dieſe Art hoffte er, dem König das. abſolute Veto wiederzugeben, die Verwaltungen wieder den Miniſtern. unterzuordnen, endgültig Feſtſezungen über die Güter der Kirche und des Adels zu ſchaffen ?), — Jener Antrag aber wurde, weil man ahnte, was er bezwe>te, abgelehnt. Hierdur< war, wie Sybel ®) darlegt, das Miniſterium zur Untätigkeit verurteilt, und das Königtum bedeutungslos geworden. Damit noch nicht genug! Eine Regierungspartei fehlte völlig. Dadurch kam der König in die Abhängigkeit einer Partei, die im innerſten Grunde ihres Herzens wohl ſehr patriotiſch, jedoch lange nicht ſo ſehr monarchiſch war! Aber „es iſt eine konſtitutionelle Regierung nicht möglich, wenn die Regierung nicht auf eine der größeren Parteien mit voller Sicherheit zählen kann... Hat eine Regierung nicht wenigſtens eine Partei im Lande, die auf ihre Auffaſſungen und Richtungen …. eingeht, dann iſt ihr das fonſtitutionelle Regiment unmöglich, dann muß ſie gegen die Konſtitution manövrieren und paktiſieren“. Dieſe Worte Bismarks 2) würden ſich auch auf die Schwierigkeit, den franzöſiſchen Staat in jenen Tagen zu leiten, anwenden laſſen; ebenſo ſeine Folgerung, daß jener Zuſtand von den übelſten Wirkungen auf die Macht des betreffenden Reiches begleitet zu ſein pflege. Den Miniſtern wurde in Paris die Arbeit noh dur<h den Umſtand erſchwert, daß die mächtigſte Partei

1) Dieſer Vorſchlag ſhon läßt uns einen Wechſel in den Anſchauungen Mirabeaus vermuten.

2) Es iſt niht anzunehmen, daß dieſes Programm die völlige Zuſtimmung Ludwigs gefunden hätte.

3) A. a. O. S. 149. — Jene Ablehnung könnte ſo re<t die Torheit und Einſichtsloſigkeit, welhe die Mehrzahl der Volksvertreter auf politiſhem Gebiete hatte, charakteriſieren.

4) Sie ſtammen aus den „Gedanken und Erinnerungen“ Bd. 11, S. 169—-170 (in der Volksau8gabe).