Die Französische Revolution

Sieg der Revolution. Auſbau des neuen Frankreich. 129

wird dem Fürſten dieſes Reformwerk niht geworden ſein; aber kraft ſeiner Geiſtesgaben wurde er der Schwierigkeiten Herr, und ſchon damals !) wurde er deshalb mit Machiavelli verglichen.

Dieſer Realpolitiker, dieſer ſo liberale Fürſt konnte ſelbſtverſtändlich an den reaktionären Gelüſten der Emigranten ?) keinen Geſchma finden, ebenſowenig vermochte er den Jdeen ſeiner Schweſter Verſtändnis entgegenzubringen. Hatte ja auch niemals zwiſchen beiden ein geiſtiges Band beſtanden! Troßdem wandte ſich Marie Antoinette an ihn, allerdings nicht ſofort, ſondern erſt nachdem einige Zeit nah ſeiner Thronbeſteigung verſtrihen war; denn ſie hatte erſt ſeine Überſiedelung von Florenz na<h Wien abwarten wollen. Jn dieſem Briefe nun ſette ſie ihm ihre verzweifelte Lage auseinander, die auh „jeden anderen Herrſcher in der Welt bedrücken muß“. Jhre einzige Hoffnung beſteht darin, daß die Erkenntnis der „Gerechtigkeit ihrer Sache“ ®) immermehr zunehmen wird, wozu „Zeit und Geduld das Jhrige tun werden“. Aber auf das eindringliche Schreiben weiß Leopold wenig mehr als Phraſen zu antworten. Da thr hier Hilfe verſagt blieb, ſo ging ſie den anderen verwandten Hof, den in Aranjuez ©) an. Dort ließ die Antwort überhaupt auf ſih warten. Doch hatte ſie am 27. Mai ®) eine Unterredung mit dem Vertreter Spaniens. Jhre Mitteilung, daß ihr Gemahl auf Lafayettes Wunſch der Parade der Nationalgarde beiwohnen wolle, erregte Nuñez" lebhafte Zuſtimmung: „da man nicht Gewalt anwenden fönnte, wäre es nötig, von außerordentlicher (wörtlich: erſchöpfender) Schlauheit und Güte zu ſein.“ Jn dem Bericht an ſeinen König hat er ſelbſt dieſe Worte unterſtrihen und dadurh das Programmatiſche derſelben, ſo wie er es ſih dachte, dokumentiert. Und hatten Ludwig und ſeine Gemahlin jeßt etwa andere Grundſätze befolgt? Am 28. Mai erließ dieſer dann einen großen Aufruf, in dem er den Franzoſen Einigkeit empfahl. „Mutig gegenüber den inneren Feinden,“ heißt es weiter, „ſollten ſie wieder dem Geſeß zu ſeiner Gültigkeit verhelfen ®)

1) Shulenburg in Hermanns Aufſaß (ſiehe Forſchungen zur deutſchen Geſhite, Bd. V, S. 270).

2) Schult e, Leopold IL. (Hannover 1899), S. 25.

3) Wir wiſſen, was darunter zu verſtehen iſt.

4) Aus dem Berichte Nuñez" vom 7. Juni 1790 (Span. Arch. 3982) geht das hervor.

5) Span. Arc. 3982 — 830. Mai 1790.

6) Das hatte au< Karl von Spanien geraten; ſiehe S. 126. Scheibe, Die franzöfiſhe Revolution. 9