Die Französische Revolution

74 Drittes Kapitel.

Wie man ſich überhaupt auf dieſer Seite die politiſche Lage dachte, zeigt eine für den König in der zweiten Hälfte des April ausgearbeitete Denkſchrift !) des Großſiegelbewahrers Barentin, der als Feind Ne>ers dieſer Partei naheſtand ?). Ausgehend von der Bedeutung, welche der Ausfall, der Erfolg der Reichsſtände für die ganze Monarchie in allen Beziehungen hat , weiſt er darauf hin, daß die Leiter der Regierung als die berufenſten Verteidiger „der heilſamſten und achtbarſten Prinzipien“, „dieſer althergebrahten Grundlagen des franzöſiſchen Staates“, dieſe unbeachtet laſſen. „Das franzöſiſche Volk würde ſich bald durch innere Zwiſtigkeiten zerfleiſchen, wenn der König dieſe Grundlage preisgäbe und wenn er die Verfaſſung ®), welche auf ihnen auſgebaut iſt und die ſeit der Thronbeſteigung Ludwig Kapets (!) ſich befeſtigt hat, nicht aufrecht erhielte.“ — Woher kommt aber die Widerſpenſtigkeit gegen „die geheiligten Geſeße“? Durch die Engländer, welche, auf die Größe Frankreichs neidiſh, Emiſſäre im Lande halten und für eine der engliſchen ähnliche Verfaſſung Begeiſterung zu erwe>en ſuchen, ſo daß ſogar die meiſten Cahiers nach einer ſolchen Begehr tragen; deren Eigenſchaften ſeien aber der Art, daß die Engländer ſelbſt eine ſolche ablehnen würden: vielleicht, weil ſie die Schlagfertigkeit des Staates behindert ©). Außerdem würde der König von Frankreich ſi dann nicht mit dem Englands vergleichen können ®). Daher darf jener nicht dulden, daß die Krone Einbuße an Glanz erleide. — Aus dieſem Grunde und wegen der gegenwärtigen Zwietracht müſſe man mit beſorgtem Auge auf den Zuſammentritt der Reichsſtände blicken, weil zu befürchten iſt, daß die vereinigten Mitglieder des Tiers die Hand an die altbewährte Verfaſſung legen und eine neue ins Leben rufen wollen. Nur der König kann helfen, weil er der Liebe ſeines Volkes gewiß iſt ®), und

1) Pariſer Nationalarhiv K 679, 61. Es genügt, wenn wir hier den Sinn wiedergeben.

2) Siehe S. 68.

3) Denſelben Gedanken ſpricht er übrigens au in ſeinen Memoiren (S. 19) aus. Ferner: „I ne fallait que réformer quelques abus“; Veränderungen, wie ſie Ne>er vorhatte, z. B. „abaisser le clergé et la noblesse“ (S. 18), wären beſſer unterblieben.

4) Dieſer Nebenſaß iſt vom Verfaſſer eingefügt.

5) Wir erinnern uns hier an die politiſche Korreſpondenz Karl Friedrichs von Baden, wo Ludwig Georg gleichgeſtellt wurde.

6) „Auch die geſchi>teſten Miniſter vermögen nichts ohne ihn.“ Troy des Kompliments vor Ne>er eine Verleugnung ſeiner Bedeutung.