Die Französische Revolution

76 Drittes Kapitel.

des Friedens! Wie wenige, unter ihnen unſer Wieland "), erkannten den Kampf, in den nunmehr zwei Jdeen miteinander treten ſollten !

Glaubte aber Ludwig XVT. im Ernſte, am Anfang einer neuen Zeit zu ſtehen? War er etwa hierin eins mit ſeinem Volke?

Schon die Anordnung, daß die Vertreter des dritten Standes in ihrer Tracht unterſchieden von dem Prunk der Privilegierten erſcheinen, ſowie der Umſtand, daß jener warten muß, bis Adel und Klerus in den Verſammlungsraum eingezogen find, laſſen das Gegenteil vermuten ?). Dadurch wurde der Haß unter den Ständen, der ſich hon vordem gezeigt hatte, nur noh verſchärft. Jmmerhin wurde der König bei ſeinem Erſcheinen auf dem Kirchgange und in der Verſammlung lebhaft begrüßt, ein Beweis für die großen Hoffnungen, die man ihm noh entgegenbrachte ?); um ſo kühler wurde die Königin aufgenommen, ja ſogar wurden Schimpfreden gegen ſie laut, ſo daß ihr unwohl wurde ?). — Auch inſofern war alles wie früher, als der König in der Eröffnungsſizung bedeten Hauptes zu den Ständen ſprach, während dieſe den Hut abgenommen hatten. So hoch gingen aber damals die Anſprüche und das Selbſtbewußtſein des dritten Standes, daß ſie darin eine Verleßung der Hoheit des Volkes erblickten.

Die Gewinnung neuer Kräfte, führte Ludwig in ſeiner Rede aus, und die Förderung des Wohlſtandes erwartet das Königreich ©) von der Arbeit der Reichsſtände. Unerwähnt bleiben aber die Hoffnungen, die damals das franzöſiſche Herz an ihren Zuſammentritt knüpfte. Nachdenflich mußte ferner der Sah ſtimmen: „Die monarchi\ſ<en Grundſäße haben den Glanz und Ruhm veranlaßt“ 5), dieſelben, welche ja auch Ludwig XIV. hatte. Schon dieſer Saß ließ an Deutlichkeit nicht zu wünſchen übrig, und um gewiſſermaßen darzutun, daß man noh immer auf dem Boden der alten Monarchie ſtehe, erklärt ſich Lud-

1) Stiller hat ſpäter in der „Glo>e“ (V. 350—381) ſein Urteil rictiggeſtellt.

2) Wenn es au< niht ausgema<ht iſ (Biſſing a. a. O. S. 156), daß dieſe Verfügungen vom König ſelbſt kamen, fo \{loſſen doh einige hon damals aus dieſen Symptomen auf mangelhaftes Entgegenkommen von dieſer Seite.

3) Span. Arch. 3992 — 6, Mai 1789.

4) Von der Nation iſ alſo niht die Rede. Übrigens trug er hier vor, was er ſelber ausgearbeitet hatte. (Sepet a. a. O. Bd. Il, S. 7.)

5) „Les principes de la monarchie ont fait l'éclat et la gloire de la France.“ Bezeichnend iſ, daß au< Marie Antoinette ſi< ſhon früher auf dieſelben berufen hat (ihr Brief vom 24. April 1788). Wenn Ludwig XVI. dieſe Rede ſelber gemacht hat, ſo bekommen wir auch hier einen Einbli> in ſeine Seele.