Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

350 _________Mlſtrierte Geſhicte des Weltkrieges 1914/7

es vorhergeſagt, in dex Tat zur Morgenſtunde wiedex in ſein Haus zurü>, — e

Die Tage gingen hin. Inzwiſchen war draußen an der Front ein Feuerkampf von niegeahnter Heftigkeit entbrannt; die Vorbereitung für eine neue, gewaltige Offenſive des

- Feindes. Unaufhörlih hörte man das dumpfe Rollen, das

donnernde Krachen der Geſhüße wie ein fur<htbares, fernes Gewitter hier in der Stadt toben. Und als wilde Sturm=vögel erſchienen zahlreiche feindlihe Flieger, teils als Beobactex, teils warfen ſie Aufrufe für die Bevölkerung herab, um den Mut ihrer Landsleute aufzuſtacheln. SS

Binnen kürzeſter Friſt wurde ihnen die Befreiung des

„heiligen Bodens Frankreihs“ verheißen — die „Stunde der Erlöſung ſtehe für ſie vor der Tür“! In der Tat verfehlten dieſe Verſprechungen bei der leiht entflammbaren Bevölke=rung ihre Wirkung niht. Die Einwohner der Stadt <hwuren

diesmal auf das Gelingen der Anſtrengungen der Ihren. |

Eine ſhwüle, vulkaniſhe Stimmung var jo in der. Luft. Ein Niederſchlag davon lag auch- über dem Hauſe der Duponts. Unverhüllt trug der Vater ſeine Siegeszuverſiht zur Schau, er zeigte den verhaßten Deutſhen gegenüber

[hon ein Benehmen, als ob ſie hier nur noh geduldet ſeien. |

Auch in Jrenes Antliß leuchtete es von aufglühendem Hoffen. Nur die Mutter blieb ſtill und bedrü>. Das alles bedeutete ja neues Blutvergießen und Morden, für Freund wie Feind, und wer wußte, ob es wirklih zum erwarteten Erfolg führen würde? SS i

In dieſen Tagen mußte Denhardt in einer dienſtlihen Angelegenheit mit dem Kraftwagen zum Hauptetappenort. Dabei beobachtete er mit ſteigender Aufmerkſamkeit, wie ſih ein feindliher Flieger, der vor ihm herflog, immer Lieſer herabſenkte und nun wirkli< zur Landung ſchritt. Er glaubte ſi< wohl unbeobahtet, und das Automobil, das in einer bewaldeten Talſenkung dahinfuhr, war ihm ent- | gangen. Denhardt, der außer ſeinem Fahrer noch einen bewafſneten Begleitmann bei ſih hatte, befahl ſofort, zur Landungſtelle zu fahren. Der Wagen entwi>elte ſeine höGſte Geſhwindigkeit, und ſo konnte Denhardt, in die Nähe kommend, no< mitanſehen, wie in der Tat der feindlihe Flieger ‘dort unweit eines fleinen Gehölzes gelandet war, einen Mann abgeſeßt hatte und nun wieder aufſtieg. - SS

Von dem Rattern des Gefährts aufgeſ<hre>, gewahrte jezt der gelandete Inſaſſe des Flugzeuges die eilends herannahenden Feinde. Schnell warf er da einen Kaſten, Den er bei ſi hatte, von ſi und ſtürmte davon, auf das Gehölz zu. Beim Wegwerfen des Kaſtens öffnete ſih dieſer, und es entflatterten daraus plôblih einige Tauben, die ein paar Augenbli>e über der Stelle freiſten. und dann nach verſchiedenen Rihtungen abflogen. e

Die Sache war Denhardt ſofort klar. Es handelte ſih um Brieftauben, die hier ausgeſeßt werden ſollten, um eine Verbindung mit der Zivilbevölkerung herzuſtellen und ſo vielleiht Kenntnis von wichtigen militäriſhen Angelegenheiten zu erhalten. Denhardt war aufs höchſte erfreut, dem Täter auf die Spur gekommen zu ſein, und ließ deſſen Verfolgung dur den Begleitmann aufnehmen, während er ſelber vomWagen ſprang und den Kaſten wieder oerſ<loß, in dem ſich die Mehrzahl der Tauben noch befand. Inzwiſchen gelang es dem Begleitmann, in die Nähe des Flüchtlings zu kommen und ihn mit ein paar Warnungſchüſſen zum Halten zu Der= anlaſſen. Das legte Geſhoß mote wohl hart an dem Ausreißer vorbeigepfiſfen ſein, denn dieſer gab plößlih das Rennen auf. Er blieb ſtehen, wandte ſi ſ<nell um und hob beide Hände ho<. Bald war der Mann in den Händen ſziner Verfolger, und es zeigte ſi<h nun, Daß er unter Der Bluſe eines franzöſiſhen Bauern die Uniform trug.

Das war ein unerhoffter guter Fang. Denhardt ließ den Gefangenen vorn zum Fahrer aufſteigen, befahl ſeinem Begleitmann, im Wagen Plat zu nehmen und auf den Häftling gut achtzugeben; dann ging die Fahrt weiter zum

auptetappenort. Hier lieferte Denhardt den Feſtgenom- | 5 E : : 3 E 1917 die Maſtſpizen und bald darauf die weiße Leinwand | eines großen Seglerxs auf. Auf den tiefblauen Gründen des

menen ſowie den Kaſten mit dem Reſt der Tauben per= fönlih ab.

Schon einige Stunden ſpäter waren überall im Be-= rei der Etappeninſpektion in den einzelnen Ortſchaften

Maueranſchläge zu ſehen. Sie ſeßten die franzöſiſhe Be- | völkerung von dem Geſchehnis in Kenntnis und warnten

aufs eindringli ſte davor, “die aner Brieftauben aufzunehmen oder wohl gar mit Mitteilungen für die Feinde

| verſehen wieder fliegen zu laſſen. Wer ſi dieſes triegs-

verräteriſhen Verbrechens \<huldig machte, würde Unweigerlih mit dem Tode beſtraft. : - _ Au in dem Städtchen war dieſer -Maueranſhlag an allen Straßene>en angebraht worden. Jn Gruppen ſtanden die deutſhen Soldaten davor, aber auh die franzöſiſhen Ziviliſten traten hinzu, und nachdem ſie geleſen Vate

gingen ſie mit einem ſ<heuen Bli> wieder hinweg.

Doktor Ullrich hatte den ganzen Tag angeſtrengt im Lazarett zu tun gehabt. So war ihm von dieſen Dingen no< nichts befannt geworden, und da das Lazarett ewas abſeits in einer Vorſtadt lag, bekam er au< keinen Maueranſ<hlag zu Geſicht. Dahex war er doppelt überraſ<t, als er plößlih vor ſih auf einem fleinen Plag, den er gerade

betreten wollte — es war ſchon in der Nähe ſeiner Woh-

nung — ein paar Soldaten, das Gewehr im Anſhlag und zum Himmel aufbli>Æend, laufen und dann ſtehen bleiben Und feuern ſah. Es war doch gar kein Flieger zu ſehen oder

=31 hören! Nun war er heran.

5 OS macht ihr denn da, Leute? Auf wen [ſchießt ihr enn?“ : „Ach, hier flog eine Taube ‘rum —es war gewiß eine von den Brieftauben — da haben wir ſie eben ‘runtergeſcoſſen.“ Während der Mann ſo ſprach, hatte er zu dem Maueranſchlag drüben an der Ete des Plaßes hingewieſen. Der Stabsarzt trat dorthin und las. Nachdem es geſchehen, drehte er ſih wieder um und gewahrte, wie einer der Soldaten die geſ<hoſſene Taube gerade herzutrug. Da winkte ex ihm zu. = . „Bringen Sie das Tier do< mal her!“ e Die Taube wurde ihm hingereiht, ex nahm ſie, und wie er die Federn an den Beinen etwas zurü>ſtrih, gewahrte ex eine um den einen Ständer gewid>elte feine Pa-

_pierrolle. Ex löſte ſie ab, rollte ſie auseinandex und las nun:

„Rue Vernier 31 bis 33, Paris. Wir ſind hier in E. alle

no< wohlbehalten, - wenn wir freilih auh von den ver=

wünſchten Boches viel auszuſtehen haben. Wix hoffen auf

Eure neue Offenſive. Wenn es ſo weit iſt — re<net auf

uns! Eure Flieger ſind uns eine große Ermutigung. Aber warum werfen ſie keine Bomben ab? Nehmt die Glas= fabrik am Bahnhof aufs Korn! Die Boches haben dort in dem Schuppen ihre ganze Munition liegen.“ . Doktor Ullrich rollte das Papier wieder zuſammen. „Das iſt ja ein Fund von Wichtigkeit!“ Und ex nahm ſofort ſeinen

- Weg zu dem Palais de Justice, wo der Kriegsgerichtsrat ſein

Amtszimmer hatte. ‘Fortfebung folgt.)

Die „Möwe“ verſenkt die franzöſiſche Viermaſtbark „Asnières (Hierzu das Bild Seite 318319.)

In dunklen, ſtürmiſchen Herbſttagen des Novembers 1916 hatte die „Möwe“ ihre zweite Kreuzfahrt angetreten. Die Schiffahrt im nördlichen Teil des Atlantiſchen Ozeans war gewarnt; mehrere Male täglih ſandten engliſche und franzöſiſhe Großſtationen ihren Funfſpru< vom Auftauchen des deutſchen „Kaperers“ in die Welt, nahdem dex für das belgiſhe Unterſtüßungskomitee beſtimmte Dampfer „Samland“ von ſeinem Zuſammentreffen mit einem bewaffneten

deutſchen Kauſfahrer berichtet hatte und mehrere mit Kriegsmaterial und ſonſtigen wertvollen Ladungen nah England

und Frankreich beſtimmte Dampfer überfällig waren. Zahlz reiche Kreuzer befanden ſi< auf der Jagd nah dem Sperrbrecer, von deſſen Verwandlungsfähigkeit die unglaubli {ſten Geſchichten erzählt wurden. Es hieß, das Feld der Betätigung

nah Süden zu verlegen und neue Beute auf den von Süd=

amerika na< Europa führenden Seewegen zu ſuchen, auf denen das in den Verbandsländern ſo notwendige argentiniſhe Getreide und der ebenſo wertvolle, für Die Sprengſtoffinduſtrie beſtimmte Chiliſalpeter herbeigeführt wurden.

Die Beute ließ niht lange auf ſi< warten. Anſtatt der ſonſt ſo weit ſihtbaren Rauhfahne tauhten am 2. Januar

weiten Ozeans zeigte ſih ſonſt nichts, kein Funkengekniſter verriet die Anweſenheit anderer Schiffe in dieſer Gegend. Deshalb vor Überraſchungen ſicher, hielt die „Möwe“ auf das Schiff zu, an deſſen vier Maſten jedes Segel, das nux