Die Japhetiden und ihre gemeinsame Heimath Armenien : Festrede für die Feyer des fünfundachtzigsten Stiftungstages der Academie am 28. März 1844 : auszugsweise gelesen in der öffentlichen Sitzung der königl. Academie der Wissenschaften zu München

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Wie die Bäume des Waldes find die Menſchen ein erdentſproſſenes Geſchlecht; nachdem der Sonnenbräutigam die Crdbraut heimgeführt, hat er auh, als die Zeit gekommen, Geburtshilfe ihr geleiſtet; und indem nun jede Erdrichtung ihren lebendigen Träger an's Licht geboren, iſt dieſem Gut und Bös als Angehinde der Erdnatur eingewachſen; wer mag wehren, daß die ſcharfen wie die milden Säfte in den Geſäſſen ſteigen und zur Blüthe treiben! Schöpfung, Sündenfall und Erlöfung ſind alſo unnöthige Zuthat im Haushalt der Natur. Der gewöhnliche Weltlauf \{heint dieſe Doctrin zu beſtätigen mit allen ihren Folgenſäßen; die Männer der Klugheit, die bei ſeiner Leitung betheiligt ſind, haben mit Freude in ihr die Grundſäße ihrer Geheimlehre erkannt; nur die einzige Furcht trübt zur Zeit no< ihre Freude: ob es nicht zu frühe ſey, ſolche Weisheit von den Dächern zu predigen? Längſt {hon wäre ſie ſiegreich über die Erde gegangen, hätte ſie ni<t zwei unverſöhnlihe Widerſacher in der Bruſt des Menſchen ſelbſt| gefunden; ein in ſeiner ſittlihen Region anſäſſiges Prieſterthum und einen dem Geiſte eingebornen Adel. Jn dieſem erkennt die geiſtige Cinheit ſich, als die in ihrer angeborenen Würde Bevorzugte, vor Allem was ſonſt vom Getheilten unſere Natur befaßt. Jndem ſie alſo, wie billig, der höheren Einheit ſi< unterordnet, geſtattet ſie im Gefühle dieſer ihrer Würde nimmer, daß die Vielheit, ſih ihr gegenüber als ebenbürtig auſwerfend, ſie für das Geſanmmtproduct von ſi<h ſelbſt ausgebe; ſondern, ſie übrigens in ihrem Beſtande nicht anfechtend, if ſie ſi< bewußt, daß ſie ihr zuerſt ſelb ihre Bekräftigung verdanken müſſe. Der andere Widerſacher iſ das immer wache Gewiſſen, das fort und fort nah auſwärts deutet; nach abwärts aber auf dem ſpezifiſchen Unterſchied von Gut und Bös Beſteht, und dur< feine Künſte der Beſte<hung in ſeinem Urtheil ſ< irren läßt. Die beiden ſihen nun in der Stille und Einſamkeit des Nachdenkens beiſammen, und löſen behend wieder auf, was die Männer der Klugheit im Lärme des Marktes gewebt; und ſo iſt es gekommen, daß no< immer, wie in den Tagen Hiobs, die Welt in dieſer Frage getheilt erſcheint. Wir unſererſeits haben juſt Demuth und Stolz genug, uns zur Einheit und ihrer Macht über vie Zweiheit zu bekennen; und wollen für jezt an der Völkertafel nah= weiſen, daß ſie zugleih- authentiſ<h wohl begründet und vollkommen aus-