Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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Vorrang: Liebe oder Vernuntt? — Fünfhundert Jahre später -als diese ältesten Lieder, wiederholen die Upanishads diese selbe nır mit dem Untergang der Erde verstummende Menschenfrage. Nunmehr aber lautet sie so: War wohl Prana (Leben) früher da als Praina (Bewußtsein)? Oder ist mit dem Lebenselement (pranatman) auch schon gegeben Bewußtseinselement (prainatman)? Man gefiel sich damals in dem Wortspiel prana-prajna und manchmal, (z. B. Aitareya-Up 3.3) wenn Bewußtsein und Sein gleichgesetzt werden, so glaubt man schon die abendländischen Fachphilosophen der Gegenwart all ihren Unsinn vortragen zu hören. —

Also: Die Zweiheit: Geist-Leben nagt, bohrt, wühlt unterirdisch schon in des Menschengeschlechts ältesten Urkunden. “Aber erst im klassischen Zeitalter Indiens, im sogen. Sankhyam (Reflexion) Klaffen Natur und Mensch scharf auseinander. Damit aber ist der Boden geschaffen, auf welchem das Erlösungs- und Ausheilewerk des Buddha beginnen kann. Dieser große Held erscheint als Antiarier und Fürsprecher aller unterdrückten Rassen, der Sudras und Dravida. Mit seiner Lehre beginnt die im Morgenlande einzig mögliche soziale Etik. Noch heute hungern und darben in Vorderindien zumal in dem armen Hindostan füntzig Millionen, in Hinterindien weitere zwanzig Millionen Tschandala, was hilft denen alle Lebensreligion? Sie "bedürfen durchaus der Wert- und Erlösungslehre.. Buddha zeigt den Erlösungspiad, einen Bergpfiad ebenso ungeheuer wie der alte Lebensgelaube selber. Aber ein Todespfad, insofern er die Seelen anleitet zur Rückkehr in das den Menschen verlorene Nirvana. Und doch ist dieses buddhistische Nirvana (im Gegensatz zum brahma-nirvana der Hindu) keineswegs die Auslösung und Einkehr des Geistes ins Lebendige, sondern umgekehrt das Aufgehen des Lebens in Geist. Buddha nämlich liebt nicht das Leben; sondern er ‚wertet aus‘, (wie denn alle Not und alles Leiden denken und auswerten muß). Buddha wurde somit das größte wissende und wachsam wollende Genie der Menschheit. Am tiefsten verstehen ihn jene, die in ihm sehn der Geschichte starken Willenshelden. Wir können sein Willensziel in folgende Worte zusammenfassen: ‚Geist ist der Schlächter am Leben. Wollen wir nicht den Schlächter schlachten? Sich selber schlachten wird er, der Schlächter! Sein Wille ist der Willenicht zu wollen. Bewußtsein kann nur aufgehoben werden durch Bewußtsein. Das Ziel des Geistes ist sein Erlöschen.‘ — Dieses befreiende Schlummerlied