Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Kreuz, dieses Gleichniß für alles Zwiefältige und Gebrochene. Denn Christus gibt sich durchaus nicht wie der Königssohn Buddha als ein Vollendeter und Erlöster. Er kommt aus der Krippe der Armut, nicht aus der Könige Feenpalast. Er will den Menschen helfen und sie erlösen; aber der Erlösende ist kein Erlöster. Eben darum berühren die Schmerzen des leidenden Gottes die Menschenherzen an einem tieferen Punkte als die bewunderungswürdige Übermenschlichkeit des Buddha. Wir können das Wesentlichste k ur z sagen: Jesus wählte den dem Wege des Buddhavollkommen entgegengesetzten Weg; nämlich den Weg der Bejahung des Geistes als des heiligen Geistes, während in allen Reden Buddhas der Geist immer wieder gekennzeichnet wird als ‚der große Parasit am Leben. — Dürfen wir Christi unbewußtes Willensziel mit wenigen Worten so kennzeichnen wie wir es oben für das Willensziel des Buddha versuchten, so könnte es am besten mit den folgenden Worten geschehen: ‚Da wir Menschen als der Natur wach gewordener Geist nicht mehr zurückkönnen, gut! so müssen wir eben vorwärts gehn! Stürzte der Mensch als Mensch aus dem Naturelement heraus, ein Wesen, dessen Würde es ist gegen sich selbst gerichtet zu sein, so muß und soll er diesen Kampf auf sich nehmen. Der Mensch ist dazu da, um im Geiste zu siegen und die Natur ist dazu da, sich dem Geiste zu unterwerfen. Wir haben es vorgezogen, statt der Erde schönstes Instrument zu bleiben, lieber ihr unglücklichster Künstler zu werden. Das ist unsre Größe und unsre Krait. Vielleicht ist der Geist lebenzerstörend gleich der dem Stoffe entbundenen Flamme. Dann tut der Mensch am besten sich zum Vorkämpfer dieses Zerstörers und zu seinem Verbündeten zu machen. Er wird dann als Geistessprosse seiners eits die Natur übermächtigen. Daß Gott in seinem erwähltem Verkinder Mensch ward, das gibt uns die Ermutigung, daß eben nur der Mensch im stande ist Gott zu werden. Also nicht (wie Buddha will) Wollen üb erwinden! sondern umgekehrt: Wollen wollen! Nicht das Kreuz fliehen, sondern das Kreuz auf sich nehmen. So machen wir aus der Not die Tugend. —

Diese neue Heilsbotschaft fand nirgend einen schöneren Ausdruck als in der Pistis Sophia, der sogenannten Gnosis. Diese nämlich nannte den Gott kennzeichnend den ‚proon anthropos‘, d.h. den vorseiendenMensc hen. Fast gewaltig bezeichnete ein Gnostiker der ersten Jahrhunderte das Erwachen