Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

über dem ritterlichen Vorderasien Frieden und Ruhe, die dem gehetztem, wachem Amerika und Europa nie gegeben sind. Die große Tatfähigkeit zumal der türkischen Menschen (der brauchbarsten Soldaten) entsteigt — (unsere Prahlhänse der Aktivität sollten darüber nachdenken!) — grade aus dem Schicksalsglauben (kismet) und einer oit fast gelähmten Gleichsültiekeit gegen alles zeitlich-räumliche Erfahrungsleben, welche Ergebenheit immer wieder Ausdruck gewinnt in Sprüchen und Liedern, wie sie schon 1200 n. Chr. Omar Kajlam sang:

‚Der Du durchs Leben wirst geschlagen wie ein Schlägelballen, , Der Du in die Lust des Weines und der Houri bist gefallen,

Du bist gefallen auf des Ewigen Geheiß,

Er ist es, der es weiß, der’s weiß, der’s weiß.‘

Der Islam (welches Wort Ergebung oder Hingabe heißt und dem antiken Schicksalsglauben (Moira), dem jüdischen Gnadenstand (chesed) entspricht), hat eine Tages- und eine Nacht-Seele. Die Tagesseele fühlt sich als den Willensträger des Allah (Alhakk, das Unbedingte), welches durch die - Menschen hindurch bewußt, das unbewußte Gesetz erfüllt. Die Nachtseele gibt sich willenlos hin jener wissenden Liebe, _ . welche ähnlich schön nur aus chinesischer und indischer Mystik leuchtet; zumal aus der 500 n. Chr. entstandenen ‚Weckung des Bodhieittä (Liebeserleuchtung) des Vasubandu. —

Das wären die beiden Pole alles Lebens: Buddha und Epikur. Zu reiner Harmonie verbunden lebten sie in dem tätigen und heiterm Derwischorden der Mewlewi, von welchem Lessings Wort gilt: ‚Der wahre Bettler ist allein der wahre König‘... Eine seiner alten Legenden erzählt: Der Khalii Omar war erkrankt. Die Sternendeuter profezeiten, er könne nur dann genesen, wenn er das Hemd eines wahrhaft Glücklichen anzöge. Er ließ die Weisen rufen und befragte sie, welches das Merkmal sei eines wahrhaft Glücklichen. „Daß er nichts zu wünschen hat“ erwiderten die Weisen. Da entsandte der Khalit in alle Welt seine Boten, welche an alle, Arme und Reiche, herantraten mit der Frage: Was kann der Khalif für Dich tun? Er gab aber keinen, der nicht Etwas zu wünschen wußte. Zuletzt trafen (die Boten einen singenden Wanderer, der antwortete auf die Frage, was ihm mangele und was er zu wünschen habe: „Nicht das mindeste“. Da sagten die Boten: ‚Du bist der Gesuchte; gib uns Dein Hemd für den Khalifen‘.