Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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u Br zur Te de Arabenhereschatt ‚kommt az die mit Diophantes um 350 n. Chr. beginnende unbestimmte Analysis mit imaginären Größen. Endlich aber mit Descartes um 1600 steigt empor: die Matematik der irrationalen Zahlen, der Unendlichkeitsrechnung und die nichteuklidischen Geometrieen. Hierzu lassen sich leicht Analogieen finden aus anderen _ Gebieten der Bildung. Der euklidischen Weltanschauung entspricht die Rundplastik und formenschöne Baukunst der Hellenen. Der arabischen Matematik die Arabeske und schnörkelhafte Verzauberung maurischer Bauten und Märchen. Die moderne Aritmetisirung der Geometrie endlich fällt zu-

sammen mit der Kunst der Perspektive, der Gotik, der unend-

lichen Sehnsucht und Melodie deutscher Musik.

Welche. Wüste der Anologieen! Welch unzulängliches Unterfangen, das proteisch Flutende festzunageln an das stramme Holz zweier oder dreier Begriffe,

Auch Goethe kannte und liebte solche Gegenspiele In .

seinem schönstem Werke: ‚Helena‘ stellt er 1827 wider einander den Widerstreit seines eigensten Lebens: die tagesdeutlich plastische Welt des geliebten Altertums und die neue, auf musikaliches Gefühl gerichtete Flamme der Romantik. Eine unermeßliche Fülle der Antitesen hat Deutschlands größter Mensch eingesenkt in die Gestalten der Helena und des Faust. Er läßt sie einander suchen und finden, lieben und hassen. Das sind Dichters Gleichnisse, Bilder und Symbole. Sie sind wahr, weil sie nicht wirklich sind. Sie bezeichnen, nach einem Worte Schillers, ‚was sich nie und immer hat begeben‘.

Ganz anders aber verfährt der philosophische Lehr meister. Er entdeckte Helena und Faust als Eriahrungstatsachen einer vermeintlich empirischen Weltgeschichte und verlangt wissenschaftliche, ja sogar naiv realistische Gültigkeit für ein Antitesenspiel, welches in Begriffe aus einander klaubt, was lebendig lebt zu jeder Zeit, an jedem Orte, in jeder Bildungswelt und in jeglicher Gestalt; immer gleichzeitig, weil üb er zeitlich. =

Um Geschautes und Gelebtes aus uns herauszuspinnen, wie die Spinne ihre zarten Netze zieht aus ihrem eigenen Leibe, dem bauendem Triebe der ‚Natur untertan und auch nach tausendmaliger Zerstörung doch zum tausend und ersten Male ° wieder neu ihr Netzgespinnst versuchend, — um unsres Lebens Spur, unsres Wesens Sinn zu hinterlassen, haben wir Philo-

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