Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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griechisch schreibt und der Markus nicht ‚tragmentarische Erinnerungen‘, sondern einen genauen chronologischen Bericht darbietet) so stellte man die folgende Vermutung auf: Es müsse bestanden haben eine für die drei Evangelienschreiber gemeinsame, später aber verloren gegangene Quelle, ein Synoptikön; aus welchem zunächst geschöpit wären die von Papias erwähnten verlorengegangenen Schriften (der Urmarkus und Urmatthäus); und aus diesen dann wieder seien geschöpit worden die heute vorhandenen drei Evangelien... . Dies wäre in kürzester Kürze das wenig erhebende und wenig erhabene Ergebniß der erhabenen und erhebenden Gelahrsamkeit, mit welcher die ‚Theologie‘ genannte abendländische Wissenschaft heute angefüllt hat ganze Bände, ganze Büchereien, ganze Städte von Büchereien.

Der ehrliche Forscher muß einiach bekennen: Wir wissen gar nichts von der Geschichtlichkeit eines Jesus. Auch nicht das Mindeste! Nehmen wir sie dennoch an, so geschieht das aus anderen als aus wissenschaftlichen Gründen. Es geschieht, weil noch nie ein Mytos auf Erden geblüht hat, welcher nicht an irgendwelche Geschichtsereignisse anknüpfite. So sind ‚auch Moses, Lykurgos, Äneas, Romulus, die ganze Reihe der römischen Könige, der alten Perserkönige, der homerischen Helden zweifellos nicht geschichtlich wirklich dagewesen; verraten aber dennoch irgend eimen geschichtlichen Kern. Niemals ist Mytos ohne Geschichte, niemals Geschichte ohne Mytos. Wie denn auch wäre auszuhalten die gräßliche Banalität der ‚geschichtlichen Wirklichkeit‘: diese endlose Reihe völlig entbehrlicher, vergänglicher, gleichgültiger Könige, Minister, Generale, Staatsmänner oder vermeintlicher Größen der Wissenschaft und Kunst, wenn man sie nicht ehren und verklären könnte als Träger einer Idee und als zufällige und zeitliche Vertreter eines zeitlosen Reiches der Werte?... m übrigen hat für religiöse Menschen die Frage keine Bedeutung. Man überläßt sie gern der Theologie.

‚Denn umgestämpelt hat die Priesterzunit Die Völkerweisheit stets in Unvernunit

Zum Faktum das nur ein Mal sich vollzogen Die ewige sroße Wahrheit kleingelogen.‘