Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Die deutsche oallor

n ARENERIBEN: das ist frei.“ Luther.

Auf dem Reichstage zu Worms, Aoail 1521, erscheint vor Kaiser und Reich: ein unbotmäßiger Mönch. Zum Widerstand gegen die heilige Kirche hat er durch Rede und Schrift öffentlich auigeiordert. Öffentlich verbrannt die ihn ausstoßende Papstbulle.e Nun muß seine und der neuen Sekte Angelegenheit behandelt und entschieden werden durch den vor Jahresitist sewählten Kaiser, als den ‚beschworenen Schirmherrn der Christenheit‘. — . 5

Karl V., 21 Jahre alt, von feiner Geistesart, aber etwas kränklich, blickt halb verwundert halb ermüdet. auf den beharrlich redenden fanatischen Polterer: so wie man in einer Tierschau anschaut einen fremdländischen Dickhäuter. Der Mann redet Deutsch oder Latein. Der iunge Kaiser versteht kein einziges Wort Deutsch; von der lateinischen Sprache nur wenige Vokabeln. Ein blutiunger Mensch, zweiflerisch von Natur und grade darum irömmelnd und leicht gegängelt von taktvollen alten Kirchenfürsten, so kann er keinerlei Verständnis haben für die treuherzig biderben Gewissensängste des ebenso trotzigen als bauernschlauen Querkopfs.

Die vornehme und höfische Gesellschaft jener Tage fühlt sich weit erhaben über die Deutschland zerrüttenden Glaubenszänkereien. Die letzten Päpste waren freie Geister. Alexander VI aus dem Hause Borgia, ein Koloß an Wollust und

Unheiligkeit; Julius:Il., Künstler oder Soldat, nie aber Mönch;

zuletzt der gegenwärtig mit der dreifarbigen Tiara geschmückte Leo X., aus dem kunstliebenden Hause Mediei, welcher soeben ins Ohr geflüstert hatte seinem lieben Kardinale Bembo: ‚Du ahnst nicht wie viel das Märchen vom Christus uns einbringt‘ .... ach! was galten diesen weltlichen Geistern hochnotpeinliche deutsche Gewissensfiragen, ob (wie der Luther will) es beim Abendmahle heiße: ‚Dies ist mein Leib‘ oder (wie der klarere Zwingli will) ‚Dies bedeutet meinen Leib‘... Solche Religionsdispute und frommen Redeturniere genießt man nicht anders, wie in den früheren Zeiten Rittertjoste oder FHahnenkämpfe. Man schwelgt in Gesinnungen anderer, ohne die eigene preiszugeben. Denn zuguterletzt kommt ja doch alles hinaus auf Politik, Konjunktur und Opportunität.

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