Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Im Sinne einer bestimmten Wahrheit nun ist diese Fortschritts- und Glückseligkeitsoptik durchaus berechtigt. Im Sinne einer Wahrheit freilich, welche in der Bildungswelt niemals zugestanden, sondern überall verleugnet wird.

Alles Lebenist Freude. Keiner kann je anderes Ziel wollen als immer nur das Ziel der Freude. Auch die verzweifeltesten Umwege, die das Leben geht, jedes Nirvana, jede Selbstverneinung, jede Selbstzermarterung ist zuguterletzt doch immer nur Notausgang eines Willens, welcher Freude will. (Wobei es denn freilich den ganzen Unterschied der Geschöpfe ausmacht, worin ein jedes seine Freude sucht und worin ein iedes seine Selbstbestätigung findet.)

Es ist also schlechthin natürlich, daß der Mensch Alles und Jedes unter dem Gesichtspunkt der Glückseligkeit betrachtet und auch die Wahrheit, welche als Norm aller Werte nicht selber mit eintreten kann in die Reihe der Werte sondern völlig jenseits alles Werthaltens und Wollens liegt, so betrachtet, als wenn es überhaupt einen Sinn hätte zu fragen: Was kommt dabei heraus?

Angesichts dieses natürlichen allgemeinen Glückseligkeitswillens befällt mich aber ein Gedanke, der wohl noch nie klar und scharf von uns Menschen zu Ende gedacht worden ist.

Wie denn, wenn nun grade der Wille zur Freude die Freude selber morden muß? Wäre es möglich, daß grade das Welt- und Leben-bessern-w ollen die Selbstregulationen des Lebens vernichtet und zur Verschlechterung der Lebensstimmungen hin führt?

. Wir entdecken als den Hintergrund alles bewußten Wollens _ und Wissens immer einen leise zitternden Unterton von Weh. Wo immer es ein reines Glück gibt, da ist vielleicht wesenszugehörig diesem Glücke, daß der Glückliche nicht davon weiß. Liegt es also nicht nahe zu fragen: Hängt das Leiden am Wollen selber? Ist es der Natur alles Wollens untrennbar verbunden ?

Es ist gewiß, daß ein pflanzenhaft willenloses Leben für Uns unerträglich und unmöglich wäre Aber ob ein solches Leben leidensreicher wäre als waches Sehnen und Kämpien, davon wissen wir nichts. Diese Fragen wären des Nachdenkens auch europäischer Denker wert. Aber die haben ein Wort, womit sie, ihre stolze Menschenbrust schlagend,