Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Anderes und durchaus Mechanisches meint, nämlich —_ die Wirkliehkeit. .

Ein lehrreiches Beispiel aus tausend ähnlichen ist das folgende. Bedeutende Forscher (wie Häckel und Spencer) haben vorgeschlagen, daß die mit der Wissenschaft uns versöhnende Religion heiligen möge die Tier- und Pilanzengestalten der Erde, wie sie der Vorwelt heilig waren. Darum solle man in freien Gottesdiensten Naturformen, wie die Gestalten des Protistenreichs, der Pflanzen, der Kristalle zum Gegenstande der Andacht machen. — Schön und gut!

Wie aber denken sich die Naturforscher diese Andacht? Belehrungen über. Teleologik der Lebensiormen, über Einheit der Gestalten, über Abstammungs- oder Entwicklungslehre, das halten diese Forscher für ‚Natur‘ und merken dabei nicht, wie sie das Leben in Gestalt und den menschlichen Gedanken zeitlicher Lebensmechanik mit einander vertauschen. —

Die ungeheuerliche Vorausnahme aller europäischen Wissenschaften ist offenbar der Glaube, daß die gesamte elementare Natur eigentlich eine Art Mensch sei oder daß die Geschichte der Erde auf den Menschen, insbesondere den europäischen Bildungsmenschen, als auf die Krone der Schöpfung hinziele; — daß mithin Schicksal und Karma nicht etwa vorbewußt an uns vorgehen und dann von nachhinein auf Menschensinn und Menschenzwecke bezogen, zugeschnitten und zurechtgelegt werden, nein! daß sie schon in sich selber zielstrebige Weltordnungen von menschheitlichem Sinne, etwa sar den Zweck einer gesunden Wirtschaft oder einer vollkommenen Staatsverfassung in sich bergen. Besonders die völkisch-vaterländisch entflammten Denker, Fichte, Hegel, Treitschke, Lagarde, Chamberlain beziehen alle Sonnen und Monde auf ihren Staat, wie es denn wohl zum guten Rechte jedes menschlichen Termitenhaufens gehört, daß er just seinen Hügel für den Nabel kosmischer Vorgänge hält. —

Was aber will die abendländische Menschheit? Sie hat in hundert Jahren die ganze Erde mit Kindern ihrer Art übervölkert, hat ihr Werktum, ihre Staatskunst, ihre Kriegskunst, ihre Fortschrittsziele und Machtwünsche allen Völkern aufsedrängt, so daß diese heute nur die Wahl haben, mitzumachen oder unterzugehn. Nun haben aber schließlich die Werkzeuge und Waffen zum Leben das Leben selber überwachsen und

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