Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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für die Menschen ist das B ewußtsein vom Leben, d.h. die Bewußtseinswirklichkeit in Raum und Zeit, an die Stelle des Lebens getreten. So hat sich jenes merkwürdige Wort erfüllt:

‚Wer Leben sucht, der wird es verlieren‘,

d) Optimismus. - “ „Das wahre Wort ist unschön, das schöne unwahr.‘ : Laotse.

— ‚Es ist nicht die Aufgabe der christlichen Kulturvölker tatenlos zu versinken und zu schwelgen in der zeitlosen Dauer des Wandeliosen. Dem armen bedrängtem -Menschenkinde zu verhelfen zu einem fröhlichem Leben und ruhigem Sterben: das ist unsere Aufgabe. —

Klar und schön zeigen diese Worte eines hohen römischen Kirchenfürsten die Axe, um welche das ganze Erkenntniß- und Bildungsbetriebe Amerikas wie Europas sich eigentlich bewegt und sich auch künftig weiter bewegen wird. William James prägte dafür den Ausdruck: ‚healthy minded attitude. ...

- Es dürite unbestreitbar sein, daß der Besitz dieser ‚healthy

minded attitude‘, das heißt einer Geschichte und Wirklichkeit bejahenden Lebenseinstellung, (also beispielsweise der Besitz der Überzeugung, daß die Natur eine durch Auslese, Anpassung und Daseinskampf auisteigende Entwicklungslinie offenbare) im Daseinskampf selber einen Vorteil gewähren muß. Eine weltabgekehrte Lebensstimmung wirkt im Wettbewerbe um die Erdenherrschaft ebenso benachteiligend, wie begünstigend wirkt: Der tatenirohe Ausleseglaube, welcher (mag er nun wahr oder illusionär sein) selber schon sicherstellt eine Auslese in Hinblick auf Tatkraift.

Der Glaube an Aufstieg ist mithin Träger und Erhalter des geschichtiichen Aufstieges selber. Ja, man könnte mit einem nur scheinbarem Widersinn sagen, daß die ganze Geschichte der Menschheit beruhe auf einem Glauben an diese Geschichte. .

Woher aber stammt dieser Glaube?

Das Dogma vom langsam aufwärts führendem Kulturprozeß taucht in Gestalt einer Wissenschaft zuerst empor in den lateinischen Ländern.

Giovanni Battista Vicos ‚Prinzipi di una scienza nuova dintorno alla commune natura delle nazioni‘ begründete 1725 die heute geltende Geschichtsauffassung. Dem Werke Vicos