Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
I. Das Zeitalter der franzöſiſhen Revolution. 5
ſtandekommen einer Einigung der führenden europäiſchen Regierungen und daran konnte nicht gut gedacht werden. Jn dieſem Sinne berichtete Leopold auh an Kauni, der ſi bei den geänderten Stimmungen gar nicht wohl fühlte"). Anders als der Kaiſer es ſich vorgeſtellt hatte, wirkten die lezten Schritte auf die Maſſen in Frank= reich. „Die Pillnizer Erklärung erbitterte die Nationalverſammlung und das Volk, ſtatt ſie zu entmutigen“, meint Mignet in ſeiner Geſchichte der franzöſiſchen Revolution. Die Girondiſten brauchten kräftige Mittel, um die Begeiſterung der Maſſen zu erwe>en und um die Menge an ſich zu ziehen. Auf Schlachtfeldern ſollte ihr Einfluß erſtarken; die Schwärmerei für franzöſiſchen Kriegsruhm wurde für die Förderung egoiſtiſcher Parteizwe>e mißbraucht. Darum drängte die mächtige Partei in Frankreich zum Kriege, den im Deutſchen Reiche der König von Preußen froh begrüßte, während Leopold IT. das rauhe Wüten der Kanonen hintanzuhalten ſuchte. Doch die Spannung wuchs, die Anmaßung ſtieg in Paris und der Krieg war unvermeidlich geworden. Ehe er ausbrach, beendete Leopold IT. ſein Daſein: zu früh für Öſterreich, zu ſchnell für das Deutſche Reich.
Sein Sohn Franz übernahm das Erbe. Länger als vierzig Fahre dauerte die Regierungszeit dieſes Monarchen, die von wilden Stürmen durchtobt, vom Donner der Schlachten durchdröhnt und dann wieder von langer, bleierner Ruhe erfüllt war. Kaiſer Franz iſt kein Mann der ſelbſtändigen Entſcheidungen geweſen, der den Stempel ſeiner Eigenart überall zur Geltung bringt. Auch in der äußern Politik ſeines Staates beſtimmte er nit aus einer ſtarken Überzeugung heraus den Gang; er ſpra< zwar als Herrſcher das maßgebende Wort, aber er ließ ſih dabei von ſeinen Ratgebern leiten. Die Machtfülle ſeiner Staatskanzler erweiterte ſich; ſie wurde bloß dur< den Argwohn und durch die Selbſtgefälligkeit des Monarchen wie auh durh die Ränke und Einflüſterungen ſeiner wechſelnden Vertrauen2männer begrenzt. Hart, ablehnend war das Urteil, das Kaiſer Joſef II. zuerſt über ſeinen Neffen fällte, den er in jungen Jahren unter ſeine Obhut nahm. Später lautete die Meinung aller=dings etwas freundlicher. Der Monarch ſchrieb an Kaunitz: „Franz iſt nicht ohne Kenntniſſe und nicht ohne Fleiß, von zwar kaltem und langſamem, doch richtigem Urteile, apathiſch gegen alles, was Vergnügen oder Unterhaltung heißt, geſund und ſogar kräftig; er wird zwar nie das beſizen, was man Annehmlichkeiten des Körpers und
1) Heinrih von Sybel. Geſchichte der Revolutionszeit.