Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
A. Öſterreichs Gegenwehr und Demütigung. 29
zu groß. Nicht der deutſche Kaiſer, ſondern der öſterreichiſche Lande3herr ſprah aus ihm. Öſterreich zeigte eine ſehr ernſte Miene und beſezte das Bistum3gebiet von Paſſau, das Napoleon Bayern zugedacht hatte. Der erſte Konſul verſtand jedoch keinen Spaß; er forderte kategoriſch den Rückzug und dieſer erfolgte auh. Allmählich legte man die Differenzen bei, das heißt, der Wiener Hof fügte ſichin ſein herbes Los. Am 26. Dezember 1802 wurde zwiſchen Öſterreich und Frankreich eine Konvention vereinbart, nah der Kaiſer Franz die öſterreichiſchen Beſizungen in der Ortenau und im Breisgau an den Herzog von Modena abtreten ſollte. Die geiſtlichen Fürſtentümer Trient und Brixen fielen an Öſterreich. Der Großherzog von Toskana erhielt außer Salzburg und Berchtesgaden noh das Bistum Eichſtädt. Dieſe Konvention ſtellte ein Ereignis von welthiſtoriſcher Bedeutung dar, denn ſie leitete die vollſtändige Umgeſtaltung Deutſchlands ein und raubte der Würde des Kaiſers den bisher vorhanden geweſenen ärmlichen Schein der Macht 1).
Noch hatte der Reichstag in Regensburg ſein trauriges Ja und Amen zu ſagen. Dort tagte während des Jahres 1802 die von ihm eingeſeßte Reichsdeputation, die die Neuordnung Deutſchlands durh< den „Reichsdeputationshauptſ<luß“ guthieß. Am 25. Februar 1803 ſtimmte auch der Reichstag zu. Er ſchaufelte ſih damit ſelbſt ſein Grab. Jmmerhin durfte Graf Ludwig Cobenzl mit Stolz hervorheben, daß in dieſen Tagen der Kraftloſigkeit Öſterreich wenigſtens den Verſuch gewagt hatte, dem Diktate Napoleons zu trozen.
Nicht lange vertrugen ſi<h England und Frankreich. Jm Mai 1803 brach der Krieg wieder aus. Um den franzöſiſhen Chauvinis8mus zu nähren und die Abneigung gegen England zu ſtärken, ließ Napoleon, der die Bedeutung der Volksſtimmung voll einſchägte, den Feſttag der Jungfrau von Orleans neuerdings aufleben. Hannover, das zum engliſchen Staatsgebiete gehörte, wurde ſogleih offupiert und die Blockade des Juſelreichs ins Werk geſezt. Auch auf Neapel legte Napoleon ſeine Hand. Um ſich den Rücken zu de>en, ſuchte er mit Preußen eine Allianz anzuknüpfen, ohne jedo<h mehr als die Zuſicherung des Königs Friedrih Wilhelms TIT., er werde ſich in keine Unternehmung gegen Frankreich einlaſſen, zu erhalten. Öſterreich, dem der erſte Konſul nie recht traute, beeilte ſich, die Zu=ſage ſeiner Neutralität zu machen und ließ es au in der Folge an
1)7Eduard Wertheimer. Geſchichte Öſterreihs und Ungarns im erſten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Leipzig 1884. Erſter Band.