Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
30 TT. Der Kampf gegen Napoleon.
Der zur Zeit des Fürſten Kaunitz eingeimpſte Haß gegen Preußen war in Öſterreich verfla>ert und es gab verſchiedene Männer, die ein gemeinſames Vorgehen der Häuſer Habsburg-Lothringen und Hohengollern befürworteten. Metternich wirkte als Diplomat dafür; der in öſterreichiſche Dienſte getretene Preuße Friedrich Geng lieh diejem Gedanken glanzvoll ſeine Feder. Auch in Berlin war die Stimmung nicht ſhle<ht. Doh König Friedrih WilhelmIIl. konnte ſich nicht zu energiſchen Schritten aufraffen und auch ſein Miniſter Hardenberg zauderte. Rußlands Juterventionen blieben in Berlin gleichfalls fruchtlos. Erſt ein Gewaltakt Napoleons ſchuf raſchen Wandel. In dem entſcheidenden Augenblicke lief die Nachricht ein, daß ein ſranzöſiſhes Armeekorps ohne vorherige Anfrage und ungeachtet aller friedlichen Proteſte den Durchmarſch durch das preußiſche Gebiet von Ansbach vollzogen habe. Friedri<h Wilhelm TIT. war entrüſtet und in eine Seelenverfaſſung gebracht, die Öſterreichs und Rußlands Abſichten günſtig ſchien. Zar Alexander, der perſönlich nach Berlin reiſte, fand bereits einen guten Boden vor. Am 30. Oftober traf auch der öſterreichiſhe Erzherzog Anton in der Hauptſtadt Preußens ein. Vier Tage ſpäter wurde in Potsdam ein Vertrag vereinbart, durch den Preußen verhalten war, als vermittelnde Macht aufzutreten. An Napoleon ſollte die Aufforderung gerichtet werden, die Entſchädigung Sardiniens, die Unabhängigkeit Neapels, des Deutſchen Reiches, Hollands und der Schweiz ſowie die Trennung der franzöſiſchen und der italieniſchen Herrſchaft zu gewähr= leiſten. Ein Friedensfongreß hätte das Werk zu krönen. Würden dieſe Forderungen innerhalb vier Wochen von Napoleon nicht angenommen werden, dann mußte Preußen ſofort mit 180 000 Mann ins Feld rüden. Kaiſer Alexander betrachtete die Überwindung des preußiſchen Kleinmuts als ſein eigenes Verdienſt und war ſtolz auf das Gelingen ſeiner Miſſion "). Ohne eine theatraliſche Szene ging es allerdings nicht ab. Jn Gegenwart des Königspaares küßte der Zar den Sarg Friedrichs des Großen, um ſeinen Gefühlen wirfung8voll Ausdru> zu verleihen.
Einen Monat vor der Schlacht bei Auſterliß hatte Preußen ſeine Dienſte zur Verfügung geſtellt. Graf Haugwiß wurde zu Napoleon geſandt, aber dieſer ſhwahmütige Diplomat glaubte ſeinem Könige durch das Hinausſchieben ſeiner Aufgabe angenehm zu werden. ‘Er näherte ſi<h dem Korſen erſt nach der Kataſtrophe, um dann — ein preußiſch-franzöſiſches Bündnis zuſtandezubringen.
1) Adolf Beer, Zehn Fahre öſterreichiſcher Politik 1801—1810. Leipzig 1877.