Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
A. Öſterreichs Gegenwehr und Demütigung. 29
von wilder Verzweiflung übermannt, doh Kaiſer Franz behielt in dieſen kriſenvollen Stunden ſeine Ruhe. Von ungeheurer Angſt getrieben, wichen die ruſſiſhen Soldaten zurü>; ſie entflohen in der Nacht, die dem Siege des Korſen folgte.
Kaiſer Franz mußte ſich jezt herbeilaſſen, die Hand zum Frieden zu bieten und Napoleon um eine Unterredung zu erſuchen. Am 4. Dezember fand die Begegnung ſtatt; zum erſten Male in ihrem Leben ſahen ſich Deutſchlands gedemütigter Herrſcher und Frankreichs ſieggewohnter Herr. Napoleon gab ſich liebenswürdig ; erſt nachher brachte er eine ganz entſtellte Schilderung des Geſpräches in die Zeitungen, ebenſo wie er einen phantaſtiſchen Schlachtenbericht der Öffentlichkeit unterbreitete. Zwei Tage nach der Zuſammenkunſt wurde ein Waffenſtillſtand abgeſchloſſen; die Friedensverhandlungen famen in Fluß. Am 13. Dezember ſchrieb der Korſe ſeiner Frau: „Friede iſt ein leeres Wort, wix brauchen einen glorreichen Frieden.“ Und er ſollte ihn haben! Öſterreich mußte faſt, 1200 Quadratmeilen ſeines Gebietes mit nahezu 3 Millionen Menſchen abtreten. Die venezianiſche Provinz, das Küſtenland, Tirol und Vorarlberg, die öſterreichiſchen Vorlande in Süddeutſchland gingen verloren; bloß mit Mühe wurde Trieſt dem Staate erhalten. 40 Millionen Franken mußten an Kriegsentſchädigung gezahlt werden. Das war der in der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 1805 unterzeichnete traurige Friede von Preßburg. Öſterreichs Stellung als europäiſche Großmacht wurde untergraben und der Staat erlitt in ſeinen deutſchen und italieniſchen Plänen Schiſſbruch.
Nicht allein die Truppen, auch die Staatsmänner der habsburglothringiſchen Monarchie wurden niedergeworſen. Graf Ludwig Cobenzl, der Vize-Kanzler und ſeine re<te Hand Collenbah erhielten die Aufforderung, ihre Stellen niederzulegen. Desgleichen wurde Miniſter Graf Colloredo in den Ruheſtand ver=ſezt. Schon viel früher hatte Erzherzog Carl etwas derb und zu eiſer=voll gemeint, alles ſei verloren, wenn der Kaiſer niht „Mac, Lud=wig Cobenzl und Collenbach auffnüpfen läßt“.
Wir müſſen auch einen flüchtigen Blik auf das Verhältnis Öſterreihs zu Preußen werfen. Noch waren die Kriege gegen Napoleon Unternehmungen der Höfe und Kabinette, und die Völker nahmen an ihnen nicht mit den Herzen, mit ihrer edlen Leidenſchaft teil wie ſpäter. Dennoch hoffte man, als die Wetterwolken im Fahre 1805 heranzogen, Öſterreich und Preußen im Kampſe vereint zu finden. Man ahnte ſchon, daß es ſich um die Sache des deutſchen Volkes handle.