Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

A. Öſterreichs Gegenwehr und Demütigung. 39

erfahren, zu welchen Opfern ſich Öſterreich entſchließen mußte, um einzig und allein noch die Exiſtenz zu retten, zu deren Verteidigung es kaum mehr die nötigen Kräfte beſizt.“

Seit dem Preßburger Frieden entwi>elte ſi<h Napoleon erſt zu dem Weltbezwinger, deſſen titanenhaſter Wille die Staaten und Völker wild aufſcheuchte. Die Heiligkeit der Kronen zerfloß vor ſeiner Gier in nichts; erwarf mit den Diademen der Macht um ſich, als wären ſie Jonglierkugeln. Hatte der Korſe früher für ſeinen eigenen Thron gekämpft, ſo ſorgte er nun haſtig dafür, ſeiner Familie Königreiche zu Füßen zu legen. Jede friſche Beſißergreifung und Rechtsver= änderung brachte den europäiſchen Kabinetten Sorgen und Beſchwer= niſſe; viel Papier wurde beſchrieben, denn man ſträubte ſich allemal ein wenig, um dann knirſchend die Anerkennung zu gewähren. Am heftigſten erregte die Gemüter der Staatsmänner eine Tragikomödie, die Frankreichs Kaiſer in Bayonne liſtig aufführte, um die Krone von Spanien für ſeinen Bruder Joſef mit unblutiger Gewalt= tätigkeit zu erlangen. Aber ſiehe da: in den Gebirgstälern der Pyrenäenhalbinjel wagte ein ſ<hwaches Volk eine Gegenwehr, zu der ſich die Mächtigen der Erde nur ſchwer entſchließen konnten. Der Widerſtand der Spanier — obwohl mehr für den Glauben als für das Vaterland begonnen — feuerte die Zagenden an und wirkte weithin als aneiſerndes Beiſpiel. Noch ſhwelgte Napoleon im Herbſte des Jahres 1808 im ſüßen Genuſſe ſeiner gewaltigen Macht, denn in Erfurt ſcharten ſich faſt alle deutſhen Fürſten kriecheriſh um ihn — Raiſer Franz und König Friedrich Wilhelm fehlten allerdings und der herbeigeeilte Zar erneuerte das Bündnis mit dem Korſen. Doch in Öſterreich, wo die Wunde weiter blutete, die der Preßburger Friede geriſſen hatte, fühlte man damals ſchon, daß jeßt oder nie die Zeit gekommen ſei, um das Rad des Schi>kſals umzuwälzen und Napoleon, dem Spanien viel zu ſchaffen gab, ein donnerndes Halt zuzurufen.

In den legten Jahren war im deutſchen Geiſtesleben ein wundervoller Umſchwung vor ſich gegangen. Das nationale Emp-= finden wurde wach; nicht in allen Gauen zwar, aber genug kräftig, um zu einem ſchwerwiegenden Faktor zu werden. Dichter und Denker, die geſtern no< Träumer waren, ſehnten ſi< na< Taten und eiſerten zu deren Vollbringung an. Napoleon galt nicht mehr als der Held des Jahrhunderts, ſondern als ein Uſurpator und Tyrann. Jedes Mittel ſchien im Kampfe gegen ihn gut zu ſein und Ecnſt Moriz Arndt meinte, daß man den Teufel ſelbſt durch die Hölle be-

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