Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
34 IT. Der Kampf gegen Napoleon.
der wertvollen Provinz ſollte gutgemaht werden. Aber Öſterreich lehnte ſtandhaſt ab und behielt die reſervierte Stellung bei. Jm März 1807 wandte ſich König Friedrich Wilhelm perſönlich an Kaiſer Franz, während gleichzeitig in Preußen die Männer von ihren Poſten weichen mußten, die in Wien unbeliebt waren. Der Oberſt von Kneſebe> wurde in die Hofburg geſandt, um dort zur Waſfen=hilfe zu begeiſtern; auh andere Unterhändler kamen in Wien an. Wichtige Entſcheidungen ſtanden bevor. „Der jeßige Augenbli> iſt einer der heifelſten, den ih in meiner Regierung gehabt habe““, ſagte Kaiſer Franz. Jndes, Öſterreich beharrte bei ſeiner Neutralität, und Kneſebe> war froh, als er der alten Kaiſerſtadt den Rücken kehren fonnte. Seine Bemühungen waren ja vergeblich. Da kam der Sieg Napoleons bei Friedland und damit der Abſchluß des Kampfes. Am 7. Juli 1807 ſchloſſen Alexander und Napoleon den Frieden von Tilſit und zwei Tage ſpäter wurden die Abmachungen des Korſen mit Friedrich Wilhelm III. perfekt. Preußen war ein Kleinſtaat geworden; ungefähr die Hälfte ſeines Gebietes und ſeiner Bewohner hatte der aufſtrebende Rivale Öſterreichs in der Maria-Thereſianiſh-Joſephiniſhen Epoche nun abtreten müſſen. Napoleons Anſehen und Einfluß ſtieg jezt beträchtlih und wer wollte dafür bürgen, daß deſjen Ländergier das nächſtemal nicht die Habsburg-Lothringer Monarchie zum Opfer erküren würde? Jn Wien fühlte man voll Ernſt die Not, und man faßte den feſten Vorſaz, alle Kräfte anzuſpannen, um die eigene Widerſtandsfähigkeit zu heben 2).
Argwohn gab den folgenden Monaten ihr Merkmal. Doh noh einmal kamen ſich die zwei Kaiſerhöfe näher, wobei Öſterreich eine neue Erniedrigung erlitt. Napoleon beteuerte heuchleriſch ſeine Friedensliebe und zwang die Wiener Staatsmänner zu einem Übereinkommen, das verſchiedene Differenzen beheben ſollte. So entſtand am 10. Oktober 1807 der Vertrag von Fontainebleau, den Stadion einen Leoniniſchen Vertrag hieß. Als Grenze zwiſchen Öſterreich und dem Königreich Jtalien wurde der Talweg des Jſonzo ſeſtgeſeßt; Frankreich erhielt eine Verbindungslinie zwiſchen ſeinem italieniſchen Beſiße und ſeinen Gebieten in Jſtrien und Dalmatien. „„Der Friede von Preßburg“ — klagte der Miniſter des Äußern in Wien — „wurde in der Abſicht abgeſchloſſen, der Monarchie wenigſtens ihre Unabhängigkeit zu ſichern ; binnen kurzem wird man jedo<
1) Eduard Wertheimer. Geſchichte Öſterreihs und Ungarns im erſten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Leipzig 1890. Zweiter Band.