Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
A. Öſterreichs Gegenwehr und Demütigung. 39
gen wurde, trat den Rückzug an. Sein Peſſimismus gewann wieder die Vorherrſchaſt, und der Feldherr riet dem Kaiſer zu einem raſchen Frieden. Ähnliche Ratſchläge drangen auh von anderer Seite auf Franz ein, aber Graf Stadion wollte von ſhwächli<her Nachgiebigkeit nichts hören und feſtigte den ſ<hwankenden Monarchen. Jn ſeiner ſeeliſhen Bedrängnis hatte ſih Erzherzog Carl ſoweit verſtiegen, an Napoleon ein unterwürfiges Schreiben abzuſenden, das grell von dem ſhwungvollen Armeebefehle abſtach, der des Feldherrn Namen trug. Lautete doch eine Stelle in dem Briefe: „Jh fühle mich geſchmeichelt, Sire, mit dem gtößten Feldherrn des Jahrhunderts zu kämpfen und halte mich gleihmäßig beehrt, den Degen oder den Ölzweig in der Hand Eurer Majeſtät zu finden.“
Zum zweiten Male zog Napoleon in Wien ein. Am 13. Mai 1809 ließ er ſi wieder in dem Lieblingsſcloſſe der Kaiſerrin Maria Thereſia nieder. Diesmal hatten die Wiener nicht mehr kaltſinnig die Tore der Stadt geöffnet, ſondern zum Widerſtande gerüſtet. Aber die Kanonen der Franzoſen ſtifteten zu viel Unheil und entmutigten {nell die früher Mutvollen. Die wankelmütige Stimmung dieſer Tage hat Grillparzer in ſeiner Selbſtbiographie geſchildert — er verwechſelte dabei allerdings den Preßburger und den Schönbrunner Frieden — und Arthur Schnitzlers „junger Medardus“’ läßt den jähen Wandel vom himmelhohen Jauchzen zu tiefer Betrübnis auf der Bühne aufleben.
Unauslöſhli<h ſteht das nächſte kriegeriſche Ereignis in der Geſchichte Öſterreih3; glanzvoll iſt das zweitägige Ringen der Schlacht bei Aſpern — vom 21. und 22. Mai — in den Heldenbüchern verzeichnet. Erzherzog Carl bereitete Napoleon in dieſem denkwürdigen Kampfe die erſte wuchtige Niederlage, und der Zauber der Unüberwindlichkeit war dahin. Nun ließ der Generaliſſimus jedo<h Wochen der Untätigkeit verſtreichen, während Napoleon alle Anſtrengung machte, Nachſchübe heranzuziehen und ſich für den nächſten Ringkampf erfolgreich vorzubereiten. „Der Kaiſer der Franzoſen und ich, wir beobachten uns, wer wohl den erſten Fehler begehen wird, den der andere benugen fann und ergänzen unterdeſſen unſere Verluſte“, meinte der öſterreichiſche Feldherr in einem Briefe. Napoleon hütete ſich, einen Fehler zu begehen. Welche Motive konn=ten aber den Erzherzog veranlaſſen, nah dem gewaltigen Kraftaufwand vom 21. und 22. Mai in trübe Apathie zu verſinken? Einmal trug Carl in dieſen Tagen wie ſtets Sehnſucht nach dem Frieden, na< der Beendigung des opferreichen Streites. Dann mochte er ſich der