Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

den Brech- oder Spuckreiz und speit ihn an oder spuckt wenigstens vor ihm aus. Daher gesellen sich zur Spuckstellung oft sonstige Zeichen distanzierender Verhängtheit (Hofarzt Franz’ I. XII, 2). Auch von allem Gefühlston entblößt und hierin dem prüfenden Zug ähnlich, tritt der Angriffssinn der Spuckstellung mit anderen Merkmalen der Einleitung des Angriffs (Schmeling XII, 8) zusammen, wie ja derbe Leute, bevor sie eine Arbeit angehen, sich in die Hände spucken. Eine moralisierende Tendenz und daher Verachtung gegen alles Unziemliche drückt sich oft in einer Art Spuckstellung bei sittenstrengen Männern und Frauen aus (Bibelleserin Xuet):

Die Schmollstellung (Tabelle 16)

Hiebei sind die Lippen ausgestülpt und hängen vor, was man wie den prüfenden Zug im Profil besser beobachten kann als en face. Wie dieser aber eine Vorbereitung zum Saugen, so deutet jene dessen Schlußakt, das Fahrenlassen der Brustwarze, an und ist insofern mit der Spuckstellung verwandt. Man läßt fahren, was man nicht mehr mag oder was man nicht halten kann; das erstere stellt eine feindselige Einstellung dar, die in der gleich zu besprechenden Trotz- und Verachtungsstellung beibehalten wird, das letztere eine Versagung, ähnlich wie die „lange Nase”, wie wir sie bei der Schmollstellung oft finden. Sie ist somit durch eine deutliche Gefühlsfärbung der Unlust charakterisiert (Garbo als Königin Christine X, 2). In geringeren Graden drückt die Schmollstellung, das Mäulchen, leidensvolle Bekümmernis aus (Michaela IV, 3; Christkind und Engel der Sixtinischen Madonna, Tafel V). Physiognomisch deuten vorgestülpte Lippen überhaupt auf einen Gefühlsmenschen, der nicht hart genug ist, zu behaupten, was er besitzt, und der, in seinem Schmollwinkel verharrend, im Lebenskampf anderen den

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