Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

reiche Beispiele belegt, daß auch innerhalb dieser beiden letztgenannten Ausdrucksschichten eine weitere Schichtung unterscheidbar ist; so bei verschleiertem Kontakt, in welchem die Kontaktmomente aus der obersten Ausdrucksschicht zurückgenommen und in eine tiefere verlegt sind, aber auch bei innerer Aufmerksamkeit. Hier waren die Spannungswellen sogar in eine Tiefendimension verfolgbar und das Zentrum lag gar nicht mehr an der sichtbaren Ausdrucksoberfläche, sondern etwa im optischen Vorstellungsfeld der Großhirnrinde, das dann zum Aufmerksamkeitszentrum wird. An jüdischen Physiognomien konnten wir öfter Züge des Mißmuts, der Abweisung und Versagung entdecken, die individuell von allen möglichen anderen Einstellungen überlagert sein können.

Auf den ersten Blick sind bekanntlich „alle Chinesen gleich“, und wir müssen uns erst an das Rassenbild gewöhnen wie an eine neue Beleuchtung, ehe wir individuelle Züge gewahren. So bietet uns auch der Schwarze Arbeitslose (XVI, 2) zunächst sein Rassenbild dar mit dem Saugtonus der wulstigen Negerlippen und der Nase mit ihrer Schnüffelstellung, die beide von lebhafter Empfindung und Sinnlichkeit zeugen. Ebenso steht die Diagnose Genußlust für die Unterlippe außer Zweifel, unterstützt durch den Kautonus der Backenknochen. Bei näherer Betrachtung aber treten andere Züge mehr hervor, so der ungleiche Ausdruck der beiden Augen, die dennoch nicht schielen wie bei Al Capone (XVT, 8). Das rechte, das mit dem Glanzlicht, ist offener und nach außen gerichtet, das andre, das matte, ist mehr verhängt und hat Denkeinstellung; beide schauen ziemlich starr gradaus, fixieren also die Lage vor sich, das eine bedenkt sozusagen, was das andre sieht, und wir begreifen, daß die Urteilsstellung, die sonst aus abgedecktem Auge und hochgezogener Stirn besteht, hier einmal auf beide - Augen aufgeteilt ist. Eine gewisse Schmerzstellung zieht

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