Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

Menschen, der bald himmelhoch jauchzend, bald zu Tode betrübt ist (Paganini IX, 5).

Die seitliche Stellung der Mundwinkel bedeutet demnach eine Gefühlsindifferenz, entweder Gefühlskälte (wie bei dem Massenmörder Peter Kürten, XVI, 7) oder Zuwendung der Seele zu anderen als Gefühlsinhalten, also entweder zum Geist (Lessing VIII, 2) oder zum Willen. Wenn wir bedenken, daß die seitliche Einstellung der Mundwinkel ursprünglich beim Zähnefletschen entstand, wird es uns nicht wundern, daß ein gewisses Angriffsmoment in den seitlichen Mundwinkeln liegt, oft markiert durch eine kleine senkrechte Falte zu beiden Seiten der Mundwinkel. Daher die Diagnose auf vorwaltenden Willen. Aber auch bei dem Geistesmenschen Lessing deuten diese Fältchen auf den angriffslustigen Kritiker hin. Bei sehr empfindungskräftigen Menschen wie Tom (XIV, 6; vgl. die Abwehrstellung der Augen gegen unangenehme Eindrücke und die vollen Lippen), die den Stimmungsmenschen weitgehend ähneln, sind die senkrechten Mundfurchen ein Hinweis darauf, daß ihr Träger seinen Stimmungen doch nicht unterliegt, sondern . aus allen Gemütsschwankungen tatkräftig wieder ins Gleichgewicht zu kommen versteht.

So sehen wir, daß den drei Richtungen der Mundwinkel je eine besondere Falte entspricht: der heraufgezogenen die vertiefte Nasenlippenfalte, der seitlichen das senkrechte Fältchen, der herabgezogenen die verlängerte Mundfurche; und alle drei haben physiognomische Bedeutung und weisen auf bestimmte Charakterzüge hin.

Mit diesen Kenntnissen ausgestattet, kehren wir nunmehr zu unserem ersten Versuchsporträt (IV, 2) zurück und werden es jetzt schon mit ganz anderen Augen betrachten, Was läßt sich darüber aussagen?

Die Augen sind, um in unserer Fachsprache, die wir bereits einigermaßen radebrechen können, zu reden, ziemlich

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