Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

Schluß der Zauber auch in der geradlinigsten Endphase der weiblichen Entwicklung, deren tatsächliche Befriedigung von der Lebenslogik verbürgt sein sollte, wenn alles nach Rechten ginge, in der mütterlichen (Rosl IV, 5; Tony van Eyck X, 7), bis sie auf ihrem Gipfel die Huld der Madonna auszustrahlen vermag (Sixtina, Tafel V), so daß nicht nur die Papstgestalt des Sixtus in voller Zuwendung zu ihr aufblicken darf,-sondern auch die Heilige zur anderen Seite noch geblendet und mit verhängtem Blick sich vor ihr neigt.

Ja oder Nein? Es ist nicht bloß die Frage der geschlechtlichen Gewährung, sondern, wie wir sagten, der Zuwendung, das heißt aber der Zuwendung zu allen Interessen des Mannes bis in alle Kulturleistung hinein, und schließlich nicht nur des Verständnisses, sondern der tätigen Mitarbeit, eine im Grunde seltsame Zumutung von der Seite des Mannes, der alles tat, um den Charakter der Frau ausschließlich zu erotisieren. Und wieder gabeln sich von hier aus zwei Wege: dieFrau tut dem Mann den Gefallen, so auszusehen, als wäre sie als Frau zugleich allmächtige Lehrerin des Geistes und seiner Wertordnung: so entstand das Beatrice-, das Senta-Ideal; oder sie ging hin und tat wirklich mit, sich ihr Mutter- und Frauenrecht wieder erobernd, ein- Mutterrecht aber nach dem Zeitalter, nach der historischen Erprobung der Maske, auf die Gefahr hin, diese abzuwerfen, zugleich aber mit der Chance, sie erst jetzt mit Leben zu erfüllen,

III. Das Formniveau in der Physiognomie

Vergleichen wir etwa die Gesichter Walt Whitmans (XIII, 1) und Al Capones (XVI, 8), so konstatieren wir als eine äußerliche Ähnlichkeit, daß bei beiden sich der stärkste Ausdruck im Munde, und zwar in seinem Mittelteil zu konzentrieren scheint, und daß über dem Blick eine gewisse Unbestimmtheit waltet. Warum erkennen wir nun der Phy-

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