Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

im oberen Teile ausbilden, drängen das Wangengelände bis gegen die Augen vor und bilden unter den Augen eine nach oben offene bogenförmige Falte, die Augenfalte, und seitlich unterhalb des Auges kleine geschwungene Runzeln, die Krähenfüßchen oder Hasenpfötchen; doch sind diese bei Schmerz und Weinen steiler, weil näher der Nase, beim Lachen mehr waagrecht. Auch sie werden zur physiognomischen Dauerspur und lassen sogar an tief von Arbeit und Beschwerden zerfurchten Gesichtern den unverwüstlichen Humor durchblicken (Arbeiterkopf XII, 7). Die Augenfalte wird durch vieles Weinen sackartig überhängend als Tränenfalte und deutet dann auf einen gefühlsschweren Menschen (Charcot XII,‘1; Taglöhner XVI, 4). Bei allen diesen Gelegenheiten gräbt sich übrigens auch die kleine Querfalte an der Nasenwurzel ein.

Oft zeigt das Gesicht aber viel mehr Falten als die hier angeführten, von denen wir eine wichtige noch, die Wangenfalte, erwähnen, die in ihrem unteren Teil seitlich von der Nasenlippenfalte, aber ihr parallel den Mundwinkel umzieht und sozusagen den Mundteil vom übrigen Gesicht abgrenzt. Charakteristisch veränderlich ist nun die Richtung ihres oberen Verlaufs: bei offenen Mundstellungen, also beim Lächeln, aber auch beim Küssen zieht sie schief seitlich aufwärts, parallel zum aufsteigenden Ast des Unterkiefers (Chevalier XIV, 4). Bei der Peinstellung zieht sie gerade aufwärts und bei hängendem Munde, in der verhängten Naseneinstellung und bei der Schmollstellung zieht sie einwärts, dem oberen Teil der Nasenlippenfalte parallel (Dostojeroskij XIII, 8). Auch physiognomisch verleihen diese Falten dem Gesicht einen höchst charakteristischen Zug. Man vergleiche daraufhin die drei Selbstporträts (Tafel VII) sowie die beiden Porträts von Goethe und von Alba (Fig. 45). Dort, beim lebenszugewandten Geist, gliedert die Wangen-

falte als schön aufsteigende Kulissenfalte das Gesichtsge-

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