Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

druckslehre keine Schlüsse ziehen; hieher gehören die falsche Abgedecktheit des Auges durch die überhängende Lidfalte (Wagner Fig. 18) und die senkrechte, weit nach unten vertiefte Altersfurche am Mundwinkel, die oft gerade den gutmütigsten Gesichtern einen rührenden Zug verleiht (Alte von Pettenkofen XI, 5), nicht aber einer Hille Bobbe (XI, 6),

ein Beweis, daß die Falte hier nur eine passive Rolle spielt und an dem Gesamteindruck teilnimmt.

Te zur Unterscheidung von Physiognomie und Mimik

1. Die Physiognomie ist eine ganz bestimmte Ausdrucksschicht, tvelche sich nach der Tiefe zu gegen die körperlichen Formen, nach der Oberfläche zu gegen den momentanen Ausdruck abzugrenzen hat. Doch sind die Grenzen nicht scharf gezogen. Die Physiognomie selbst stellt eine Ruhestellung des dauernden Ausdrucks dar, der verkörpert ist durch einen sich auf das ganze Ausdrucksgelände erstreckenden und alle Ausdrucksschichten durchmaltenden Muskeltonus. In die Oberflächenschichten jedoch geht sie über durch den charakteristischen Ausdruck, in die körperlichen Schichten durch die Ausdrucksspuren, und zwar durch die veränderten Formen eines besonders gestalteten Muskelreliefs, vor allem aber durch die physiognomischen Falten.

2. Am besten ist der Charakter nach der physiognomischen Ruhestellung zu beurteilen, unter Berücksichtigung des charakteristischen Ausdrucks und der Dauerspuren. Doch hinterlassen die Ausschläge nach den verschiedenen Richtungen, oft sogar die Extremstellungen, verhältnismäßig so schwache Spuren, daf es sicherer ist, wenn man mehrere Ausdrucksextreme derselben Person vergleicht, und zwar nicht bloß die sich auf den Typus beziehenden Stimmungs- und Erregungsextreme, sondern auch eine Mehrzahl von Bildern, mie sie der Ausdrucksspannrmeite des Charakters, aber auch

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