Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

medergeworfen und mit \{<önen Verheißungen abgeſpeiſt werden; Serbien und Montenegro ſeien von “der Jutervention abgehalten, der Friede würde ſo erhalten werden und in der Türkei Alles beim Alten bleiben. Die beſcheidene Haltung der öſterreichiſhen Diplomatie konnte gar feinen anderen Glauben erwe>en. Nun aber hatte ſi< Alles mit Einem Schlage verändert.

Die ruſſiſ<hen Diplomaten enthüllten den ganzen Ernſt der Situation, indem ſie von der Pforte Garantien für ihre Beſſerung verlangten. Auch für den Fall, als ſie dieſe niht geben wollte oder konnte, hatte Rußland vorgeſorgt, denn es erklärte, daß der kläglihe Stand der Dinge in der Türkei aufhören müſſe. Damit war die Ausſicht auf eine thätige Einmiſchung Europas, auf eine Störung des allgemeinen Friedens eröffnet. Eine ſolche Einmiſhung mußte wohl die Rivalität der Großmächte erwe>en; ſie mußte aber au< dem Vollbeſtande der Türkei ein Ende machen, denn es war mit Gewißheit anzunehmen, daß die Herzegowina und Bosnien, wenn einmal von fremden Truppen beſebßt, niemals mehr in türkiſhe Hände zurü>gelangen würden.

Die officiellen Auslaſſungen zeigten aber nicht blos das Bedenkliche dèr Lage, ſondern verriethen auch, daß die Kunſt der ruſſiſchen Diplomaten uo< immer die alte ſei ; ſie floßen von Sympathien für die Rajahs über und gingen mit Serbien und Montenegro äußerſt zart um, indem ſie ſagten, daß dieſe Fürſtenthümer davon bedroht ſeien, in den Krieg verwi>elt zu werden. So hatte denn Rußland jeßt mit Einem die Sympathien der Südſlaven gewonnen und — wie auh immer der Aufſtand werden mohte — die Südſlaven konnten behaupten, Rußland ſei für fie geweſen, während Oeſterreih bereit geweſen wäre, ſie der Türkei zu opfern.

Mit welcher Schlauheit Rußland in dieſer Angelegenheit vorging, um auh der Türkei gegenüber no< niht den lezten Trumpf auszuſpielen, beweiſt der Schlußſaß, der folgendermaßen lautete :

„Natürlich bezweifelt Niemand die Aufrichtigfeit des Wunſches Seiner Majeſtät des Sultans, die gegemvärtige elende Lage ſeiner <riſtlichen Unterthanen zu verbeſſern. Die Regierungen aller Großmächte nehmen den neuen Frade (Befehl8brief) als einen untrüglihen Beweis der beſtändigen Fürſorge des Sultans für das Wohl dieſer Unterthanen mit Wohlwollen auf. Beiſpiele niht ferner Vergangenheit aber, welche klar darthun, daß ähnliche, den Chriſten wohlwollende Willensäußerungen des Sultans erfolglos blieben und daß die verhältnißmäßig nichtsſagenden Rechte, welche die Chriſten einiger Ortſchaften der Türkei genießen, ihnen gezwungener Weiſe auf Verlangen der europäiſchen Diplomatie zugeſtanden wurden, geben der öffentlihen Meinung Europas

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Anlaß, dem neuen Jrade des Sultans nicht mit dem Vertrauen entgegenzukommen, das ihm als Ausdru> des Mitgefühls Seiner Majetät für die bedrängte Lage ſeiner <hri ſtlihen Unterthanen gebührte. Das Vertrauen dieſer Lebßteren aber zu derartigen Acten der Regierung iſt in dem Grade erſhüttert, daß es der Pforte {wer werden dürſte, dasſelbe \oglei<h ohne freundſchaftlihe Mitwirkung der europäiſchen Cabinete wieder herzuſtellen. Und dieſe Mitwirkung werden die Cabinete ohne Zweifel der Pforte nicht verſagen; ihrerſeits wird auh die Pforte nicht ermangeln, dieſen Cabineten greifbare Beweiſe ihrer feſten und unbeugſamen Entſchloſſenheit zu geben, die jeßigen feierli<h übernommenen Verpflichtungen hinſichtlich der Chriſten zu erfüſlen und ſomit der regelloſen Lage, die Europa ſo viel Befürchtungen einflößt, eine Grenze zu ſeßen. Fedenfalls darf man ſih verſichert halten, daß der kläglihe Stand der Dinge, wie er bis jezt in der Türkei den Fntereſſen der Pforte, ihrer Unterthanen und Europas zum Schaden gewährt hat, ein Ende finden muß.“

Jutereſſant iſt auh der Beſuch, welchen der ruſſiſche. Geſandte, General Fgnatieff, nach ſeiner Rückkehr von Livadia dem türkiſhen Großvezier abſtattete.

Jgnatieff fand Mahmud Paſcha krank. Gleichwohl hatte er bald darauf mit ihm eine mehrſtündige Beſprehung. Was der General bei dieſem Anlaſſe vorbrachte, kann mit Beſtimmtheit, wie folgt, zuſammengefaßt werden: Der Czar bedauert, daß dem Aufſtande in der Herzegowina noch kein Ende gemacht ſei. Dieſe Verzögerung ſchreibe ex dem ſ<le<ten Vorgehen des kürzlih in Moſtar eingeſeßten Tribunals, ſowie der geringen Sicherheit zu, welche die ſi< unterwerfenden Fnſurgenten genießen. Dieſe ſeien im Gegentheil Placereien ſeitens der Behörden ausgeſeßzt. Desgleichen trage die Verzögerung in der Ausführung der verſprochenen Reformen mit Schuld an der Fortdauer des Aufſtandes. General Jgnatieff ſprach ſodann die Hoffnung auf eine Beſſerung dieſer Verhältniſſe in kurzer Zeit aus. Jm entgegengeſeßten Falle, gab er zu verſtehen, könnte man die Chriſten des Osmaniſchen Reiches niht fortwährenden Verfolgungen aus8geſett laſſen und wären die Mächte gezwungen, in unmittelbarer Weiſe einzugreifen.

Auf den Großvezier, der {hon vor der Rükkehr Jgna tief f's ziemli<h krank war, hatte dieſes Geſpräch natürlih keine ſonderli<h beruhigende Wirkung hervorgebra<ht. Eine Perſönlichkeit, die den Großvezier na< dieſer Beſprehung ſah, bemerkte, daß er ſi<h vor Schmerzen wand. Seine Krankheit beſtand in einex Gedäxrmentzündung .