Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

gekommenen ſogenannten „Heidu>en-Liedern“ der erzählende Heldengeſang, welcher bei den Serben eine ſo hohe Ausbildung erreicht hat. “Der jüngere bulgariſhe Volksgeſang behandelt im Allgemeinen liedartige- und heitere Stoffe. Der beliebteſte Tanz iſt der álte Nationalreigen Horo, welher mit dem ſerbiſchen „Kolo“ und dem griechiſhen Labyrinthtanze viel Aehnlichkeit hat.

Die Stellung der bulgariſchen Frau zum Manne ſteht im grellen Gegenſaße zu jener in Serbien und Montenegro. Fm „Schwarzen Berg“ iſt die Frau das Arbeitsthier des Hauſes, während der Mann als geborener Krieger ſi<h von jeder Arbeit fern hält ; in Serbien iſt dies wohl beſſer, insbeſondere wenn man das ſ{<öne Verhältniß zwiſchen Schweſter und Bruder in Betracht zieht, aber im Ganzen bleibt do<h die Frau dem Manne no< ſehr untergeordnet ; — ganz anders aber herrſ<ht bei den Bulgaren zwiſchen den Geſchlechtern eine bei den Südſlaven ſeltene Gleichſiellung, ja man findet bei der weicheren Charafteranlage des Mannes das häuslihe Uebergewiht häufig auf Seite der Frau, was von europäiſchen Bereiſern des Landes nicht ſelten als Feigheit ausgelegt wird.

Wie bei den Serben herrſht auh bei den Bulgaren allgemeinſte Standesgleihheit; die Türken haben eben bei den Rajahs mit Ausnahme des Clerus die Standesvorrechte vollkommen abgeſchaft. Der Bulgare iſ} in den Donauſtädten größtentheils Kaufmann, Krämer und Handwerker; Lehrer, Doctoren und Advocaten giebt es wenige, Beamte noch ſeltener, Prieſter und Mönche um ‘ſo mehr. Auf der Hochebene und in den Städten des Balkan treibt der Bulgare Viehzucht und Jnduſtrie, auf der Ebene iſt er aber beinahe ausſcließli< A>erhauer ; doch laſten der ſchle<te Zuſtand der Verkehrsmittel und die heillos verwi>elten Rechtsverhältniſſe <wer auf der Bodenwirthſhaft. Das milde Klima Bulgariens begünſtigt die Seidenzucht, Tirnowo und Adrianopel bilden ; auh Tabak wird viel, insbeſondere am Vardar, gebaut; ſchöne Weinberge findet man am Vardar, Timok, an der Marita, zu Niſh, Tirnowo 2c., während das Roſenöl am Südabhange des Balkans gewonnen wird.

Der Bulgare zeigt zum Unterſchied von den Serben ein unleugbares Geſchi>k für das Kunſthandwerk und die te<hniſ<hen Künſte, insbeſondere das Baugêéwerke ; ſo rührt beiſpielsweiſe die {önſte Brücke Bulgariens, die Fanta-Brü>ke bei Bela, von zwei Anfängern in der Baukunſt aus dem Balkan her. Gerechtes Staunen erregen ferner die Silber- und Eiſen-Arbeiten, Teppiche, Mouſſeline (Neſſeltücher), Sti>kereien und Holz\chnibereien, die doh von Seite der Regierung niht die - mindeſte Unterſtübung oder Förderung erhalten. ; j

deren Centralpunkte

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Auch die Volkserziehung in Bulgarien hat ſeit einem Jahrzehnt einen bedeutenden Fortſchritt - gemaht, obwohl die große Maſſe noh ſehr abergläubiſ<h und unwiſſend - iſt. Der Bulgare ſte>t no< vielfa<h in ganz heidniſchaltſlaviſhen - Ueberlieferungen und Gebräuchen, welche ſeine Prieſter, ſtatt ſie belehrend zu beheben, lieber mit rein äußerlichen Formen des Chriſtenthums verſchmelzen. Seine Feſttage ſind ſelbſtverſtändlich zahllos. Am 8. Fanuar wird der ſogenannte „Altmütterhen-Tag“ “in manchen Dörfern mit einer Art von Saturnalien gefeiert, wo die Frauen in bacchantiſhem Gebahren dur den Ort ziehen; ein Brauch, der um ſo auffallender erſcheint, als ſonſt das Tanzen für verheiratete Frauen als unſchi>li<h betrahtet wird.

Sehr tief wurzelt in den Bulgaren der Sinn für das Familienleben, wie es bei allen ſlaviſchen Völkern der Fall. Jhre Ehen. ſind ſehr fruchtbar und ihr Hausweſen iſt mit prieſterherrſchaftlicher Arbeitstheilung, ſtreng erzväterlich regiert. Die Mädchen heiraten früh und gelten mit fündundzwanzig Fahren bereits für alt. Nach dem Hochzeitsmahle zieht ſih das junge Paar in ſein Häuschen zurü>, begleitet von der „Baba“ (alten Frau), das iſ nämli<h dem als Heilfünſtlerin, Geburtshelferin, Zauberbeſhwörerin u. dgl. im Dorfe waltenden Vertrauen3weibe. Dieſe „Baba“ hat die Aufgabe, den no< tafelnden nächſten Angehörigen die Kunde von der vollzogenen Vermählung und der in unmittelbarſter Weiſe geſ{höpften Ueberzeugung der Fungfräulichfeit der Braut zu überbringen, welche Nachricht von dieſen mit Segensſprüchen, Toaſten und Piſtolenſhüſſen gefeiert wird. Wehe aber, wenn die Kunde unerfreulich klingt! Dann verſtummt ſofort alle Freude ; die Schuldige wird allſogleich einem ſtrengen Verhöre unterworfen, nah Umſtänden verſtoßen, ihren Eltern zurü>geſchi>t und die Heirat für null und nichtig erklärt.

Das Sterben des Bulgaren erfolgt mit gelaſſenſter verhängnißgläubiger Ergebung. Man giebt dem Sterbenden beim Todeskampſ eine brennende Kerze in die Hand, umbindet ihm die Wangen feſt mit einem Tuche und drückt ihm die Augenlider zu. Kaum hat ex die Seele ausgehaucht, ſo beeilt man ſi< (in einigen Gegenden) alle Hohlgefäſſe im ganzen Hauſe umzukehren, damit die ſcheidende Seele ſih niht in dieſelben flüchte und die Zurücbleibenden ſpäter unangenehm beläſtige. Bis zum Begräbniſſe achtet man wohl darauf, daß weder ein Menſh no< Thier, insbeſondere ein Hund oder eine Kate, über den Leichnam ſchreite, ſonſt könnte ſih der Todte in einen Vampyr (Blutſauger) verwandeln und dem Dorfe Unglü> bringen.

Der Vampyr-Glaube iſ auc in Bulgarien, wie in allen ſüdſlaviſhen Ländern, auf das Allgemeinſte verbreitet. Jn Serbien heißt er