Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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vukodlad, in Bulgarien vampir, lipir u. #. ww. Das Vampyrthum iſ in gewiſſen Familien crblih, es giebt aber au< Anlagen für dasſelbe und oft wird man ganz unverhofft dur< böſen Zauber zum Vampyr; am häufigſten geſchieht dies, wenn ein heimtü>iſ<her Maurer bei Beginn eines Hauſes den Schatten des -Vorübergehenden mit einer Schuur mißt und dieſe dann in die Grundveſte desſelben mit einmauert. Bereits nach vierzig Tagen wird der Betreffende zum talasam (böſen Geiſt) und beunruhigt des Nachts bis zum erſten Hahnenſchrei mit allerlei Spuk die friedlihen Orts8bewohner.

Neun Tage nah dem Begräbniſſe verläßt der Vampyr ſein Grab. Er unterhält ſi< oft, ähnlich dem deutſchen „Kobold“, ganz harmlôós damit, daß er die Leute nur plößlih erſchre>t ; aber man<mal lo>t er ſie dur<h Schmeichelrufe aus ihrer behaglihen Nachtruhe vor das Haus und \<lägt ſie dann ſ{hwarz und blau. Seinem Unwillen macht er dur< fürchterlihes Poltern Luft ; er fährt dann als Schatten über Flux und Weide, läßt Blutſpuren zurü>, oder beſchmukßt die Bilder der Heiligen mit Koth, fordert die ſtärkſten Burſchen zum Zweikampfe und dieſe brehen ſfi< im Ringen mif dem unſichtbaren Geſpenſte die Beine.

Hat nun der bulgariſhe Vampyr jedenfalls eine viel zahmere Art als die der Serbeu — durch vierzig Tage lang als Schatten ſein Unweſen getrieben, dann entſteigt ex ſelb ſeinem Grabe, nimmt wieder Fleiſ< und Blut an und heiratet vielleiht au<h an einem fremden Orte, wo ex ungekannt iſt und kein Verdacht ihn beläſtigt. Ex benimmt fi< daun ſcheinbar rect friedlih gegen ſeine Frau und Jedermann ; des Nachts aber verläßt ex ſein Lager, verrichtet

allerlei Arbeiten, reinigt die Straßen, . verzehrt

die gefallenen Büffel und Ochſen, ſaugt das Blut aus allen Kühen, welhe irgendwie krauk ſind. Nach Menſchenblut gelüſtet es dem bulgariſhen Vampyr viel ſeltener als ſeinen anderen ſüdſlaviſhen Genoſſen.

Eine natürliche Folge dieſes Aberglaubens iſt, daß man den ſhauerli<en Krvopijatz (Blutſauger) unſchädlih zu machen ſucht. Es geſchieht dies oft durch ein von der hadzika (Dorf-Fee, eine fromme Frau, welche die Pilgerfahrt nach Feruſalem gemacht) zubereitetes Gift, man<hmal au< dur< Verbrennung. Man öffnet au< das Grab des lipir und ſtößt ihm eine Nadel oder einen Pfahl tief in die Bruſt; au< durchlöchert man den Leichnam mit Piſtolenſhüſſen und ſtampft dann wieder die Erde feſt auf denſelben. Am leichteſten verſichert man ſi< aber des Vampyrs, indem man ihm plößlih aus einem Verſtecke, das er paſſiren muß, mit einem geweihten Bilde entgegentritt. Er überfliegt dann ſelbſt Dächer und alle Hinderniſſe und indem man ihn mit dem

Talisman eiligſt verfolgt, zwingt man die Vampyrſeele in eine vorbereitete Flaſche zu flüchten. Dieſe wird - nun raſh mit einem Pfropfen verforft, in welhem fi< ein Theilchen eines geweihten heiligen Bildes beſindet, und ſodann dem Feuer übergeben.

Jm Dorfe Peſtera fiel neueſter Zeit ein Maurer beim Baue eines Hauſes vom Gerüſte herab und wurde begraben; aber ſ{<on wenige Tage nah ſeinem Tode begann es im Hauſe ſcines Meiſters zu ſpuken. “Nach Berathung mit den Geſellen begab man ſi< gemeinſam zum Grabe des verunglü>ten und, wie man ih überzeugt hielt, Vampyr gewordenen Gehilfen, öffnete es, fand den Leichnam auh wirklih bedenflih angeſ<wollen und noh gänzli<h unverweſt — ein „untrüglihes" Zeihen des Vampyrthums. Jn Folge deſſen dur<hlöcherte man den Körper mit vielen Piſtolenſhüſſen, bis er „einem Siebe glih“, und verbrannte ihn hierauf zu größerer Sicherheit auf einem mit Dornen unterhaltenen Feuer.

Der Aberglaube weiſt in Bulgarien auch ſonſt noh eine romantiſche Zahl von Ausgeburten auf. So findet man oft die Schädel gefallener Pferde auf die Zaunpfähle geſpießt, was geſchieht, weil die talasami (böſen Geiſter), welhe als Schatten in weißen Gewändern, dann auh als verzauberte Hunde, Hennen mit ihren Küchlein, den Menſchen erſcheinen, ſi<h gerne auf dieſe Schädel ſetzen und dann den Hofzaun niht überſchreiten.

Ganz beſonders für<htet man ſi< in Bulgarien bei verſtorbenen alten Weibern, daß ſie vesterici — Hexen — werden und als röthlihe Schmetterlinge das Blut den Kindern ausſaugen. Deshalh wird, ſobald ſi< nur ein derartiger Falter zeigt, auf denſelben Jagd gemacht und nicht geruht, bis derſelbe getödtet und unſchädlih gemacht worden. Fn verſchiedener Geſtalt ſpukt ferner die Brunnenfee, die ſih als weiße Kate, weiße Ziege, weißes Roß u. ſt. w. zeigt, jungen Männern auh wohl als „weiße Frau“ von verführeriſchen Reizen erſcheint. Hat man das Unglück, von ſol<en Thieren gekraßt oder geſtoßen zu werden, ſo erliegt man ſehr oft der Verletzung, der junge Mann aber, der die Liebe ‘der „weißen Frau“ entzündet, wird-von ihrem Kuſſe unfehlbar getödtet.

Der ſtoffliher geſinnte Bulgare ſehnt ſi jedoh viel ſeltener na< dem Kuſſe geiſterhafter Frauen, als es ihm gelüſtet, jene von allerlei geſpeuſtigen Wächtern gehüteten Schäße zu heben, welche einſt zu Kral Markos, Kaiſer Conſtantin’'s oder König Alexander's Zeiten in Höhlen, unter Bäumen und in alten Schloßruinen begraben wurden. Jhrer habhaft zu werden, ſcheut er feine nächtli<hen Abenteuer, denn es iſt ungemein ſchwierig, die Schäße hütenden rieſigen Neger, Feen u. dgl. dur< Opfer ſi<h geneigt zu