Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

und Abgabenbefreiung) des Fürſtenthums unter die gemeinſame Garantie der Mächte geſtellt. Die ruſſenfreundlihe panſlaviſtiſhe Partei hatte indeſſen die Stimmung des Landes gegen den Fürſten Alexander erregt und 1858 die Abſebung desſelben dur<h die Skupſchtina und die Rücberufung Miloſ\<'s auf den Thron durchgeſeßt. Milof << wurde auh von der Pforte beſtätigt. Fhm folgte {hon 1860 ſein zweiter Sohn Michael Obrenowitſ< zum zweiten Male auf den Thron nah dem im Jahre 1859 von der Skupſchtina erlaſſenen Erbfolgegeſete.

Abermals kam es zu Reibungen zwiſchen Serben und Türken, die ſi<h ſogar bis zu blutigen Conflicten in Belgrad und dem Bombardement dér Stadt von der Feſtung aus zuſpißten. Die Pariſer Vertragsmächte einigten ſi<h über einen Vergleih, wonach die türkiſhen Bewohner, die Beſaßung ausgenommen, Belgrad räumen mußten, ja, es erfolgte ſhon 1867 die Räumung ſämmtlicher ſerbiſchen Feſtungen von türkiſchen Truppen. Das nächſte Jahr brachte ſhon wieder einſ<hneidende Veränderungen hervor. Fürſt Michael wurde im Parke zu Topſchider ermordet und eine Regentſchaft eingeſeßt. Am 13. Juni 1868 wurde der Sohn des Ermordeten, Milan IV, zum Thron berufen und von der Gemeindevertretung von Belgrad zum Fürſten proclamirt. Die Skupſchtina gab ihre Zuſtimmung, erklärte ſich aber zuglei<h für ein conſtitutionelles Regiment. Jm Jahre 1869 wurde die neue Verfaſſung verkündigt, welche Miniſterverantwortlichkeit, Preßfreiheit, Richterunabhängigkeit und Autonomie der Gemeinden verbürgte und die geſetzgebende Gewalt des Fürſten und der Skupſchtina regelte.

Oeſterreichs Einfluß war ganz verdrängt und dem Rußlands gewichen, das in allen Fragen, welche das Land betrafen, eingriff und das entſcheidende Wort ſprah. Auch der junge Fürſt gravitirte entſchieden nah dem nordiſchen Koloß, mit deſſen Hilfe er die Oberherrlichkeit der Pforte abzuſchütteln und dem Lande die Unabhängigkeit zu erringen hoffte.

Montenegro.

Das kleine Fürſtenthum Montenegro, ſlaviſ<h Czernagora, auh „das Land der Schwarzen Berge“ genannt, iſt ein wildes unzugängliches Gebirgsland auf der Weſtſeite der Balkan-Halbinſel, von Albanien, Bosnien und Dalmatien eingeſchloſſen. Die Bewohner desſelben ſind ſerbiſch-ſlaviſcher Abſtammung, äußerſt kriegeriſ< und roh und leben meiſt von Jagd und Viehzucht. Früher war ein Wladika (Fürſtbiſchof) das Staatsoberhaupt, ſeit 1852 jedoch ging die Regentſchaft an einen weltli<hen Landesherrn über, deſſen Würde 1855 auch zur erhlihen gemacht wurde.

I

Die Hauptſtadt des Landes iſ Cettinje. Wir beſißen eine Schilderung derſelben, die ſo viel des Bezeichnenden für Land und Leute, ſo viel des Jutereſſanten enthält, daß wir ſelbe hier folgen laſſen zu müſſen glauben.

Jn der zweiten Hälfte des vorigen Fahrhunderts reſidirte der Hof in dem neuen Kloſter, welches der damalige Wladika ſelbſt erbauen ließ. Hier hielten die dreißig Periauitſ<h, Krieger mit Federbüſchen, die Elite der Jünglinge des Gebirges, Wache. Vier den Türken abgenommene Kanonen vertheidigten den Eingang dieſes zugleich friegeriſhen und mönchiſhen Wohnſitzes ; die Pulvermühle ſteht neben dem Kirchthurme und die Buchdruckerei grenzt an den Waffenſaal. Ueber der Riznißa (Capitelſaal), welche die prieſterlihen Koſtüme, Kelche und Ornamente enthält, bewahrt man die Kriegstrophäen, und unter der koſtbarſten Beute auh den einbalſamirten Kopf des ſhwarzen Mahmud. Fünfzig Schritte von dieſem Hauſe ſteht ein länglicher, aber mit einem Strohdach bede>ter Steinbau; dies iſt das S90wjet (Rathhaus). Fn dem auswärts befindlichen Schoppen ſind die Eſel und Maulthiere angebunden, auf welchen die Senatoren reiten. Das ungeheuer große, für die Rathhausſißungen beſtimmte Zimmer hat keine anderen Möbel als eine Reihe Teppiche und eine lange Steinbank, die um einen auf dem Boden angebrachten Herd herumläuft, wo im Winter Feuer angezündet wird. Hier ſien die Häuptlinge, nachdem ſie ihre Waffen an den Mauern aufgehängt, den Tſchibuk im Munde, rings um ihren Erzbiſchof, der gleich ihnen auf der Steinbank ſitt und als einzige Auszeihnung einen Polſter hat. Das Reſultat der Debatten wird auf der Stelle von dem Secretär des Sowjets conſtatirt (Protokollführung alſo); dieſer ſchreibt nah türkiſher Art auf den Knieen.

Das Volk iſt berechtigt, die Sowjetnißi (Senatoren) zu erwählen; aber dem Wladika allein kommt es zu, die Wahl zu beſtätigen. Alle Ukaſe, nah welchen die Czernagora regiert wird, werden von jenem geſetzgebenden Körper ausgefertigt und genehmigt; der Wladika veröffentlicht ſie alsdann mit der ganz römiſchen Formel: „Fm Namen des czernagoriſchen Senates und Volkes“, Gewöhnlich präſidirt der Wladika in eigener Perſon den Sitzungen des Sowjets. Am Abend alsdann na<h dem Eſſen verſammeln ſi< die Capitaine, welche von der Grenze rzekommen ſind, um ihre Rechnungen abzulegen, die Serdar s (Kreishauptleute), die alten Kneſen (Fürſten) und ſogar die blinden Dichter umn den Hoſpodar, ‘der ſi mit ihnen unterhält, ihre Krieg8geſchichten anhört, den Würdigſten Belohnungen austheilt oder einige Bruchſtücke aus heroiſhen Dichtungen vor ſi ſingen läßt. Die ſhönſten Geſänge werden ſofort in der „Grelißza“ (amtlihes Regierungsblatt)