Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Unterthanen, ohne Unterſchied der Religion, geſichert und feſte Beſoldung verſprochen.

Man hatte türkiſherſeits fi< wohl der Hoffnung hingegeben, daß die Verhältniſſe hierdurch eine andere Richtung erhalten ſfollten, allein die Volksſtimme ſete ſo viel Schwierigkeiten entgegen, daß das Meiſte no< beim Alten blieb, wie denn au< die Paſchas auf alle mögliche Weiſe dieſer türkiſchen „Conſtitution“ ungeſtraft entgegen handelten.

Als Frankreich auf keine Weiſe dazu zu bringen war, in Gewaltmaßregeln gegen Meh emed Ali zu willigen, beſchloß die Londoner Conferenz, au< ohne Frankreich zu handeln, und es fam der Vertrag vom 15. Fuli 1840 zwiſhenEngland, Oeſterreih, Rufßland, Preußen und

Der SU eU Stande, worin erklärt ward, daß die vier

genannten Mächte Maßregeln ergreifen würden, um diejenige Vebereinkunft zu verwirklichen, wel<he vom Großherrn dem Vicekönig bewilligt werden würde. Dieſer Lettere nahm die Bedingungen niht an; die ganze europäiſche Diplomatie fam in Bewegung, zumalda Frankreich, dur< ſeine Aus\chließung beleidigt, große Rüſtun-

gen veranſtaltete. Fn —— DD

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Conſtantinopel trat der Widerwille gegen die Reformen immer offenex hervor, es kam zu Verſchwörungen gegen das Leben des jungen Sultans (er zählte ‘erſt ſehzehn Fahre), au< in Bosnien , Albanien, Macedonien, Bulgarien brachen Aufſtände aus. Die britiſche Flotte bombardirte nun Beirut und nahm es in Beſiß, Saida wurde von den Engländern, Deſterreihern und Türken erſtürmt (wer erinnert ſi hier niht des heldenmüthigen jungen Erzherzogs Friedrich!), endlih war das ganze Syrien erobert und der Vicekönig war genöthigt, einen Vertrag zu ſ{<ließen, in welchem ihm die Erblichkeit der Verwaltung des egy ptiſhen Paſhaliks zugeſichert wurde. Sein Enkel, Fs8maël, iſt der Khedive, welcher heute im Namen des Sultans über Egypten herrſcht ; derſelbe erhielt im Fahre 1866 das Recht der

Franz Joſef T.

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directen männlihen Erbfolge in ſeiner Linie, 1872 das Recht, nah eigenem - Ermeſſen ſeine Armee und Marine zu vermehren, endli< 1873 das Recht, Handelsverträge abzuſchließen und zuglei die völlige Selbſtſtändigkeit der Verwaltung des Landes.

Damit iſt aber die „orientaliſhe Frage" der Vierziger-Fahre nicht gelöſt worden. Jm Jahre 1848 neigte ſi< die Pforte abermals zu den liberalen Mächten ‘hin, gegenüber dem abſolutiſtiſchen Rußland, wel<hem 1851 die von Nap oleon TI. angeregte „Frage über die heiligen Stätlen“ Veranlaſſung bot, ſeine überwiegende Stellung dem Divan gegenüber wieder geltend zu machen und das die Einräumung des Schubrechtes über zehn Millionen griechiſ<-katholiſ<er Unterthanen der Pforte forderte. Nach erfolgloſen Verhandlungen beſetzte es die Donaufürſtenthümer, was * 1854 zum orient aliſhen Krieg zwiſchen Rußland und den mit der Pforte verbündeten Weſtmächten führte. Jm Pariſer Frieden (30. März 1356) erfolgte die Grenzberichtigung an den Donaumündungen zu Gunſten der Türkei, die Neutraliſirung des Schwarzen Meeres und Aufnahme der Türkei in die europäiſche Völker-Familie auf Grund des Hati-Humayums vom 18. Februar1856, einer Beſtätigung und Erweiterung des Hatiſherif von Gülßhane.

Von da an verfiel das Türkiſche / Reich in immer größere Schwäche und Zerrüttung; in Bosnien und der Herzegowina erfolgten Aufſtände; nah des Sultans Tode (1861) ſuchte ſein Nachfolger Abdul Aziz dur< Vereinfahung der koſtſpieligen Hofhaltung und Beſchränkung der Verwaltungs-Ausgaben den Finanzen aufzuhelfen, indeß vergebli<h. Die Beamtenwillkür, die öffentliche Unſicherheit, die ſ{hle<te Juſtizpflege, überhaupt die Verrottung aller Verhältniſſe dauerten fort und dies,. wie der Steuerdru>, führte zur Verarmung der Provinzen und. nah und nach zu jener Periode, deren Schilderung der Zwe> des vorliegenden Buches iſt.