Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Und ſo handelt es ſich heute, wie vor Zeiten, in der „orientaliſhen Frage“ um die Regelung des Verhältniſſes der Uuterthanen zu einer moslemiſhen Zwingherrſchaft. Dieſe Frage bedeutete weder eine politiſhe, no< kir<li<he Bewegung, no< endli<h den Sieg der Cultur über Barbarei, und was ſie eigentlih bedeutet, bezeichnet fi<h in Kurzem, wie folgt.

Die Menſchheit hat ſi<h von Oſten näch Weſten hin verbreitet und trug die im Oſten gewonnene Cultur mit fi< auf ihren Zügen fort, um ſie entweder weiter oder eigenthümlich fortzubilden. So zog das Licht wie die Sonne immer vom Orient zum Occident, und dieſelbe Richtung nahmen die Völkerwanderungen. Bald jedoch hatte- die abendländiſhe Cultur ſich ſo eigenartig geſtaltet, daß ſie ſi< der alten mütterlihen morgenländiſchen Cultur fremd und feindlich fühlte. Es * war dies das inſtinctive Gefühl einer Exgänzungs8hbedür ftigkeit, die in Folge einer einſeitigen Nichtung fich empfindli<h machte. Dieſe Unbehaglichkeit verurſacht eine na< rüd>wärts gekehrte Völkerwanderung und man zieht wieder na<h dem Oſten hin, und beide Cultu-

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Die Reform- Note des Hrafen Andraſſy. i

Am Neujahrstage 1876 erſchien gleih einem Olivenblatt für die Völker die Note des Grafen Andraſ\y.

Dieſe Reform-Note beſchäftigte von dem Momente ihres Erſcheinens an alle Cabinete der Großmächte und die geſammte Publiciſtik des Weſlttheiles. Fn ſämmtlichen Kreiſen der Diplomatie war man voll des Lobes für den ungariſchen Grafen und ſeine Ausarbeitung. Die mit ganz beſonderer Sorgfalt und Treue geheim gehaltenen Actenſtü>e wurden den Vertretern Englands, Frankreichs und Ftaliens, in Wien am leßten Tage des Jahres 1875 mitgetheilt, und ſodann am 1. Fanuar 1876 an die betreffenden Regierungen abgeſendet. Die Andra ſt\y{hen Ausarbeitungen beſtanden aus zwei getrennten Schriftſtücken, nämli< aus der Circular-Depeſche und den ReformVorſchlägen. Die erſtere erläuterte die leßteren und empfahl dieſelben der Unterſtützung der zum Bei-

ren, die alte wie die M C E tritte eingeladenen junge, ſtürzen auf ein- \ N | VW _— / — Mächte. Jm Einklange ander los, um ſi< zu N N ES x FE mit dem Geiſte ſeiner vernichten. NN e H Circular-Depeſche erDas Reſultat aber N fſärte Graf Andraſſy iſt ein Verſ<hmeſ[- Graf Andraſſy. den Repräſentanten der zen und Dur h- eingeladenen Mächte

dringen beider mit

einander und in dieſer

Vereinigung gewinnt zuleßt jener Menſchenſtamm, der am wenigſten zu verlieren hatte. Durch Alexander kam helleniſhe Bildung in den Orient und orientaliſche Wei8heit nah Europa — Griechen und Morgenländer hatten ſomit gleihviel gewonnen. Das Reſultat der Kreuzzüge bot den weſtländiſchen Chriſten reihen Gewinn, da ſie Vieles von den Sarazenen lernten; heute aber fann nur der Morgenländer gewinnen, wenn die abendländiſhe Cultur in den Orient dringt, und das wird auch die endgiltige Löſung der orientaliſ<hen Frage ſein.

den Umſtand, daß die

Elaborate bisher mit ſo ſtrenger Sorgfalt geheim gehalten wurden, dahin, daß die nordiſhen Cabinete den | Entwurf eben infolange als unfertig betrachteten, bis er niht au<h die Zuſtimmung der übrigen Unterzeichner des Pariſer Friedens erhalten haben würde. Erſt wenn die Vereinbarung über den Entwurf erzielt und dieſelbe der Pforte mitgetheilt ſein werde, erſt dann gedenke man - das Actenſtü> der Oeffentlichkeit zu übergeben. Die verſammelten Botſchafter wurden aus dieſem Grunde auh angegangen, bis zu dem bezeichneten Zeitpunkte das Geheimniß ebenſo forgli<h zu bewahren. (Nichtsdeſtoweniger war der Wortlaut der Andraſ\ y’ hen Note, troy aller Vorſicht,