Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
gläubige“ Geſinnung dieſer fanatiſchen Renegaten war folgende Anſprache, die Fein Aga aus Banjaluka mit Feuereifer hielt. Der urwüchſige Redner, der unter den Türken etwa dieſelbe Stelle einnimmt, welche der Sadagorer „WunderRabbi“ in den Kreiſen der „Chaſſidim“ (\trenggläubigen Juden) behauptet, begann folgendermaßen :
„Werden wir, Brüder, die Gräber unſerer Väter beſchimpfen laſſen? Werden wir die heiligen Zanijes (Moſcheen) ſchänden laſſen? Werden wix auf den Namen des Propheten ſpu>en laſſen? Hat man je gehört, daß bei uns Beamte, Richter Giaurs ſein ſollen? Hat man je einen Unreinen auf dem Site eines Kadja (Richters) geſehen? Soll ein giauriſher Kaimakam (Staatsverwalter) uns befehlen? Was meint Jhr dazu ?“
Da unterbrah ſih der Redner, indem er mit einem wüthenden Bli>ke die ehrenwerthe Verſammlung maß, worauf ein Gemurmel
entſtand und drei 1Herren“ ausriefen :
„Das ſoll, beim Grabe des Propheten, niemals in unſerem Lande geſchehen !“
„Das meine auh ih!“ nahm wieder Fein das Wort. „Unſere heilige Religion bleibt die herrſchende! Wem es aber nicht
re<t iſt, der möge auswandern !“ Endlih beſchloß
man, in dieſem Sinne
eine Petition an den
Sultan zu rihten. Es war eben eine vergebliche Mühe, dur<h Fermane Sitten und Anſchauungen, Gebräuche und Gefühle beſeitigen zu wollen, die dur<h Fahrhunderte beſtanden und die tiefſten Wurzeln geſchlagen hatten.
Während nun die Moslims ſi<h ob des Fermans wüthend geberdeten, hatte der Ishalat die Chriſten kalt bis an's Herz hinan gelaſſen. Die Märtyrer der türkiſchen Herrſchaft wußten aus der bitterſten Erfahrung, was „kaiſerlih-türkiſche“ Verſprehungen bedeuteten. Ein Serajewoer Bürger, der vielleiht der Loyalſten Beſter genannt werden muß, ſagte zu ſeinen Brüdern:
„Der Ferman hört ſi<h gewiß nicht übel an; mehr fönnte man gar niht verlangen, als der
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Graf Franz ZBichy,
öſterr. Geſandter in Conſtantinopel.
Sultan uns verſpriht; — was nüßt es aber ? Jh habe ſhon vier ſolher Fermane Wohlthaten gekoſtet, und doh ſind mein Leben, Vermögen, Ehre und Religion ein Spielball in der Hand der Paſchas. Jh trage ſtets meinen Kopf im Sate; dieſen auf meinen Schultern betrachte ih für einen fremden, mir von der Gnade der Türken geliehenen, den ſie au< jeden Augenbli> nehmen fönnen.“
Das war nun die Stimmung, welche in beiden Lagern na<h dem Bekanntwerden des IshalatFerman herrſhte.
Und die in den nächſten Tagen darauffolgenden Kämpfe der Fnſurgenten bei Topola, Ljubinje, Koljau, Pilattawißa 2c. bewieſen, daß man im Vertrauen auf dieſen neuen-Ferman die Waffen niederzulegen niht Willens war. Selbſt die Flüchtlinge theilten das Mißtrauen, indem man drei vom türkiſchen Generalconſulat in Raguſa angeſchlagene Verkündigungen, worin die herzegowiniſchen Ÿ Flüchtlinge zur Rü >kehr eingeladen wurden, des anderen Mor-
gens mit TodtenTopfen bertlevt fand.
Auch die Friedensſtiftungs-Verſuche Ali Paſchas erzielten kein Reſultat. Die Junſurgenten erklärten feinen Sendlingen, daß ſie, ſo ‘lange die Türken herrſchen, die Waffen nicht niederlegen würden. Wenn ſie dieſer Herrſchaft kein Ende machen könnten, dann würden ſie ihre Heimat fürimmer verlaſſen und auswandern. Ferner erſchien eine Proclamation, welche die JFnſurgentenführer im Namen des Heerbannes veröffentlihten und die glei<hſam eine Antwort auf die beiden Noten bildete, welhe Graf Andraſ\ſ\y und Raſchid Paſcha in Bezug auf die neuen Reform-Projecte erlaſſen hatten.
Dieſe Manifeſtation, wel<he den Geiſt und die Stimmung des Hauptſto>es der Jnſurrections-Streitkräfte ziemli<h getreu wiederſpiegelte, war nict die Arbeit eines Schreibkundigen, ſondern entſtammte zunächſt dem Geiſte Lazar Sotſchißa’s, des angeſehenſten herzegowiniſhen Wojwoden und Fnſurgenten<hefs, und ergänzt dur